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betr.: Ukraine

Zusammenfassung der Ereignisse in der Ukraine und auf der Krim 

von Katja Schickel


09.04.2015: Ukraine-Konflikt und die Ohnmacht der Worte von Tanja Maljartschuk – Nach zwölf Tagen im Wasser verfaulen die Beine. Was kann man ausrichten in einer Zeit, in der junge Männer sterben, die man schon als Kind kannte? „Es ist auch ein Krieg der Argumente, sagen sie. Zur Unterstützung wurden ausführliche Anleitungen zusammengestellt, in denen steht, was man in einer Diskussion mit Westeuropäern über die Ukraine sagen kann. Und was besser zu vermeiden ist. In Deutschland, heißt es etwa, ist es nicht gut, Putin mit Hitler zu vergleichen. Deutschland will Hitler mit keinem teilen.“ Ganzer Artikel: http://goo.gl/8CvQk2

 

Zum russisch-ukrainischen Krieg schreibt der ukrainische Schriftsteller Mykola Rjabtschuk in New Eastern Europe (online gestellt von Eurozine): „Der andauernde Krieg, euphemistisch als 'Krise' bezeichnet, markiert den Anfang, nicht das Ende eines schmerzhaften und mühsamen Emanzipationsprozesses beider Nation von einer vormodernen 'imaginierten Gemeinschaft' östlicher Slawen (der mittelalterlichen Slavia Orthodoxa), neu belebt und überpolitisiert in einem höchst zweideutigen Konzept der 'Russischen Welt'. Die Ukrainer haben aus einer Reihe von Gründen die größeren Fortschritte in diesem Emanzipationsprozess gemacht, während andere slawische Nationen – wie Russland (oder noch mehr Weißrussland) – zu einem gewissen Grad immer noch einer quasi-religiösen Identität anhängen, die sie immer noch zu vormodernen, nicht bürgerlichen Werten und Klientelismus treibt. Diese Art von Identität, Ergebnis eines bestimmten imperialen Diskurses, wurde in abgewandelter Form unterstützt von den herrschenden Mächten in den drei Ländern, die einer radikalen De-Sowjetisierung ihres Machtbereichs widerstanden, vor allem weil sie begriffen, dass die Verwandlung des Sowjets - oder des imperialen, schwer mythologisierten 'orthodoxen Slawen' - in Ukrainer, Russen und Weißrussen vor allem bedeutete, dass aus ihren gehorsamen, quasi-feudalen Subjekten freie und selbstbewusste Bürger werden würden.“


19.03. 2013: Der innere Frieden Russlands – Keith Gessen stellt klar, dass Nemzow nicht wegen angeblich persönlicher Schwächen ermordet wurde, sondern wegen seiner beharrliche Opposition gegen Putin: „Wenn es, wie die meisten vermuten, Putins Ziel ist, die Ukraine zu destabilisieren, wenn er sie schon nicht haben kann, dann hat er dieses Ziel erreicht. Doch der Preis dafür scheint Russlands innerer Frieden zu sein. Die generelle Mobilmachung zur Unterstützung des Präsidenten nimmt immer hässlichere Gestalt an. Im Dezember bot Ramsan Kadyrow vor Tausenden von bewaffneten Männern in einem Stadium in Grosny sich und seine Gefolgsleute dem Präsidenten als spezielles Freiwilligen-Batallion an. 'Wir wissen, dass das Land ein Heer hat, eine Marine, eine Luftwaffe und die Atomkräfte', sagte er, 'aber wir wissen auch, dass es einige Aufgaben gibt, die nur von Freiwilligen erfüllt werden können'. Zwei Monate später, eine Woche vor dem Mord an Nemzow, veranstaltete eine Motorrad-Gang namens Wölfe der Nacht ein großes Treffen in Moskau, den Anti-Maidan. Motto: In Russland wird es keinen Maidan geben. Die Ukraine hat den Krieg verloren, doch was der Krieg in Russland anrichtet, könnte noch schlimmer sein.“

 

Erinnerungen an den Maidan - Himmlische Hundert

 

22.02.2015: Erinnerung an die Revolution -  s hier auch: Kurz und gut.      © Foto: Johannes Sporrer, n-ost

 

14.02.2015: In Kopenhagen wurde eine Veranstaltung über Blasphemie und Meinungsfreiheit durch Schüsse eines Terroristen unterbrochen. Die ukrainische Femen-Aktivistin Inna Schewtschenko hielt grade eine Rede. „Viele von Ihnen werden mir widersprechen, wenn ich behaupte: Es ist eine Illusion, zu glauben, wir könnten uns in Europa uneingeschränkter Meinungsfreiheit erfreuen! Dabei handelt es sich schlicht um die traurige Wahrheit. Wenn wir von Meinungsfreiheit sprechen, werden immer Leute sagen: 'Ja, wir sind alle für Meinungsfreiheit, aber...' Warum sagen wir immer aber? (An dieser Stelle endete meine Rede in Kopenhagen im Kugelhagel)“ Bei der BBC ist dieser Moment als Audiofile zu hören. Im Interview mit Emma erzählt sie, wie ihre Rede weitergehen sollte. 

 

Zehn Tage im Februar - Film von Jacob Lööv, n-ost: https://vimeo.com/118028525

Erinnerung an den Maidan - Janukowitsch ist geflüchtet, aber die Reformen und Veränderungen in den Lebensverhältnissen der Menschen, deretwegen so viele an den monatelangen Protesten und Demonstrationen teilnahmen, blieben aus. Heute ist das Land und seine Bevölkerung zerrissen, der Krieg im Osten der Ukraine überschattet alles, nach wie vor gibt es Korruption und Vetternwirtschaft. - Bei Interesse am Text von Johannes Sporrer und Bildmaterial des italienischen Journalisten und Fotografen Jacob Balzani Lööv: bildredaktion@n-ost.org

 

Word press Photo 2015: Küche in Donezk bei Kämpfen im August 2014, Sergei Illnitsky, epa












 

06.02.2015: Wie der Krieg die Ukraine verändert. Männer tragen die Uniformen erstochener Feinde. Soldaten sammeln Spenden in der Unterführung. Und im Dorfladen gibt es Trauerkränze. „Je weiter weg von der Front, desto hysterischer werden die Stimmen, desto intoleranter werden die Positionen, desto unverständlicher wird der Krieg, der irgendwo dort stattfindet, dort im Osten, in einer anderen Wirklichkeit, in einem anderen Raum, nicht mit uns, nicht hier. Aber dann siehst du in der Unterführung Menschen in Tarnuniform, die Geld für die Bedürfnisse der Soldaten sammeln, oder du erfährst von Freunden, dass ein gemeinsamer Bekannter bereits dort ist, an der Front, und dann begreifst du: Es gibt nur einen Raum, es gibt nur eine Wirklichkeit. Und diese Wirklichkeit ist von Krieg erfüllt... „ Das konstatiert der ukrainische Autor Serhij Zhadan, der von Kiew aus u.a. seine Heimatstadt Charkow besucht hat.

 

13.01.2015: Der Fotograf Boris Mikhailov erhält am 10.10.2015 den Kaiserring der Stadt Goslar, einen der wichtigsten Preise, den zeitgenössische KünstlerInnen erhalten können. Bekannt wurde der Ukrainer durch seine Bilder von Obdachlosen in der Postsowjetunion. Er sei einer der wichtigsten Chronisten der sowjetischen und postsowjetischen Gesellschaft, begründete die Jury ihre Entscheidung. (s.u.)

 

20.12.2014: Bericht zum 4. Geschichtsforum (s. Video unten):

http://www.boell.de/sites/default/files/uploads/2014/12/4._europaeisches_geschichtsforum_bericht.pdf

 

11.12.2014: Über einhundert OsteuropaexpertInnen wenden sich gegen den Aufruf „Nicht in unserem Namen“ zu mehr Dialog mit Russland im Ukraine-Konflikt (s.u.). Ihre Forderung: Fakten statt Pathos - http://www.zeit.de/politik/2014-12/aufruf-friedenssicherung-statt-expansionsbelohnung

 

Zur Erinnerung: Vor zehn Jahren begann – mit verheerenden Folgen für die Zivilbevölkerung – der 1. Tschetschenien-Krieg, der bald der „vergessene Krieg“ genannt wurde, Text und Fotomaterial: http://www.nzz.ch/international/das-historische-bild/jelzins-fataler-feldzug-1.18442615

 

08.12.2014: Der Historiker und Osteuropa-Kenner Karl Sclögel wendet sich gegen den von deutschen Prominenten aus Politik und Kultur initiierten prorussischen Aufruf: http://www.zeit.de/politik/2014-12/aufruf-russland-dialog – und rückt deren etwas vernebelte Sichtweise, historische und europäische Geographie-Kenntniss zurecht: 

http://www.welt.de/print/die_welt/debatte/article135122630/Schlaefrig-geworden.html; s. hier auch  Karl Schlögel, Reise nach Brünn  und Spots 2014-15

 

Bilder auf dem Majdan: http://eutopiamagazine.eu/en/maidan-revolution

 

Am 21.11.2013 begannen die Demonstrationen auf dem Maidan von Kiew. Juri Andruchowytsch ist desillusioniert, weil sich Europa nur um seine Gewinne sorgt, während die Ukrainer den Preis zahlen, um seine Werte hochzuhalten: „Es stimmt, dass wir nichts mehr miteinander zu tun haben. Es gibt kaum Berührungspunkte zwischen uns, der Ukraine, und Europa. Europa hat in seiner absolut erfolgreichen Entwicklung das Endziel erreicht, es ist vor allem zu einer Zone des Wohlstands, Komforts und der Sicherheit geworden, oversecured, overprotected, overregulated, ein Territorium aufgeblähter und irgendwie beigelegter Probleme und Konflikte, politisch korrekt und steril. In der Ukraine aber wird Blut vergossen, und das ist noch milde ausgedrückt, denn wenn ich anfinge, hier zur Veranschaulichung zu beschreiben, auf welche Art Blut vergossen werden muss, dann würden Sie erschrecken." Ganzer Beitrag – Wir reden über Werte, ihr redet über Preise: http://www.faz.net/aktuell/feuilleton/debatten/juri-andruchowytsch-die-eu-enttaeuscht-die-ukraine-13273068-p2.html?printPagedArticle=true#pageIndex_2 

In einem Interview hatte er schon vorher auf die Frage, ob es nicht besser sei, „wenn die Ukraine die Separatistengebiete einfach aufgeben würde“, geantwortet, dass eine „zivilisierte Abstimmung“ 2010 in Friedenszeiten möglich gewesen wäre. „In den nächsten Jahren wird es schwierig werden, in dieser Region ein faires Referendum abzuhalten. Aber für die ferne Zukunft ist es wohl die einzige Möglichkeit. Jeder Versuch, das ausgerechnet jetzt zu machen, ist allerdings sehr fragwürdig. Für den Aggressor könnte so ein Schritt eine Ermutigung darstellen, nach noch mehr Land zu greifen.“

 

 

13.11. - 14.11.2014, Europaisches Geshichtsforum 1914-2014Geschichte im Dienst von Krieg und Propaganda -  mit dem Fokus auf die Ukraine und den Westbalkan 

 

Ukraine: MH17-Absturz - Die Spur des Raketenwerfers, aus den Social Media, Videos und Fotos: http://www.bellingcat.com/wp-content/uploads/2014/11/bellingcat_-_bericht.pdf 

 

15.11.2014: Die Ukraine ist der Albtraum von Putin. Das Volk geht auf die Straße und stürzt die Macht. Darauf hat er krankhaft reagiert – von der Krim bis zum entfesselten Krieg in der Ostukraine. Die große Angst des Kremls ist, dass das ukrainische Volk selbst seine Wahl getroffen hat. Putin hat das Bewusstsein eines KGB-Offiziers und wittert hinter jedem Ereignis eine Verschwörung, den Westen, Amerika, die Nato, die sich auf unsere Grenzen zubewegt. Er hat das Gegenteil erreicht. Alle ehemals sowjetischen Staaten werden zu Feinden Russlands. […] Schauen Sie auf die Karte, es ist ein riesiges Land, das man nicht einkreisen kann. Das ist eine Paranoia in den Hirnen der Kreml-Funktionäre. […] Der Westen hat zu lange gewartet, dass Russland demokratisch würde. Aber mit der Machtübernahme Putins war alles klar. Und der Westen wartete vergebens, während man bei uns die Demokratie erstickte. Der Zug fährt in die Sackgasse, und ihn hält keiner mehr auf. Russland ist in einer Zone der Unvorhersagbarkeit wie 1917 und 1918. Auch Putin weiß nicht, was kommt. Wladimir Sorokin (* 1955 bei Moskau), Schriftsteller und Maler, bekannt geworden mit seinen dystopischen Romanen, etwa Der himmelblaue Speck (1999) oder Der Tag des Opritschniks (2006). Zuletzt erschien auf Deutsch Der Schneesturm (2012) im Verlag Kiepenheuer & Witsch. Das ganze Gespräch: http://www.zeit.de/2014/45/wladimir-sorokin-russland-schriftsteller/

 

10.11.2014: Der russische Schriftsteller Michail Schischkin sagt im Interview mit Hansjörg Müller (Basler Zeitung), dass das System Putin eigentlich keine Bevölkerung brauche, solange die Herren im Kreml nur ihre Rohstoffe verkaufen könnten. Die Unzufriedenen dürften ruhig das Land verlassen, nur bitte keinen Ärger machen: „Die schmähliche Flucht des russlandfreundlichen ukrainischen Präsidenten Viktor Janukowitsch aber war ein Alarmsignal für den Usurpator im Kreml. Wenn die Ukrainer eine solche Bande verjagen können, kann das für ihre russischen Brüder ein Beispiel sein. Deswegen kreiert Putins Regime Feinde. Das Fernsehen präsentiert den Russen ein perfektes Weltbild: Ukrainische Faschisten, die vom Westen unterstützt werden, führen Krieg gegen die 'Russische Welt'. Und wir müssen unsere Heimat wieder vor dem Faschismus retten. Der Kriegszustand ist das Lebenselixier des Regimes.“

 

27.10.2014: Im Standard erklärt die finnisch-estnische Schriftstellerin Sofi Oksanen, warum die Machtpolitik Russlands nie ein alter Hut sein wird, warum die EU die Ukraine unterstützen muss und was man Putin außerdem entgegensetzen kann: „Eines ist mir wichtig: Wir brauchen einen großen unabhängigen russischen Fernsehsender [der nach Russland sendet] ... Wir müssen die Informationssphäre wichtiger nehmen. In den baltischen Ländern ist das eine Binsenweisheit. Das russische Fernsehen sendet nur Lügen. Es gibt viele exzellente russische Journalisten, die im Ausland arbeiten. Russland verdient ein gutes Medium. Im Baltikum gibt es so etwas, aber die Ressourcen sind gering. Wir könnten es gemeinsam tun.“

 

08.10.2014: Nach ersten Gesprächen im August in Berlin haben sich JournalistInnen aus Russland, der Ukraine und der EU diesmal in Kiew getroffen, um über die Rolle der Medien im Ukraine-Konflikt zu sprechen. Das Medienprojekt Stereoscope Ukraine will die Berichterstattung auf Falschmeldungen und Ressentiments untersuchen, aber vor allem Recherchen internationaler Teams ermöglichen. Einzelne JournalistInnen stellten ihre Rechercheprojekte vor, die in international besetzten Teams noch in diesem Jahr verwirklicht werden sollen, u.a. über den ersten „russischen Winter“ auf der Krim und darüber, wie der Konflikt auch einzelne Familien in Russland und der Ukraine entzweit. Weitere Informationen unter www.n-ost.org/stereoscope

 

Mehr frei zugängliche Infos - auch auf Englisch - unter: www.stopfake.org – die neuesten YouTube-Beiträge mit russischen UT /  www.storyful.com recherchiert den Wahrheitsgehalt von Bildern, Videos und Nachrichten weltweit, die man gegen Bezahlung erhält.

 

Am 01.09.1939 begann mit dem deutschen Überfall auf Polen der Zweite Weltkrieg. Am 17.09.1939 fiel die Sowjetarmee in Polen ein. Grundlage dafür war der am 23. bzw. 24.08.1939 geschlossene sog. Hitler-Stalin-Pakt, eigentlich ein deutsch-sowjetischer Nichtangriffspakt, der dem Deutschen Reich die sowjetische Neutralität bei einer kriegerischen Auseinandersetzung mit Polen und den Westmächten zusicherte und der Sowjetunion zugestand, sich Territorien des russischen Zarenreichs, die 1918/19 verloren gegangen waren, wieder einzuverleiben. Das Ereignis von 1939, das eine erneute Aufteilung Polens vorsah, indem es die früheren Teilungen des Landes zwischen Preußen, Russland (und der Habsburger Monarchie) legitimierte, ist in Polen bis heute unvergessen und bestimmt die Sicht auf den aktuellen militärischen Konflikt in der benachbarten Ukraine. Man fürchtet nicht nur russische Expansionsgelüste, sondern auch die nationalistischen Töne, die mancherorts in der West-Ukraine laut werden.

 

Ukraine und EuropaMykola Rjabtschuk, ukrainischer Schriftsteller, schrieb bereits Ende 2013 über die Ungerechtigkeiten in seinem Heimatland u.a.: „Innerhalb weniger Jahre riss der enge Zirkel um Präsident Janukowitsch (genannt 'die Familie') alle Macht an sich, zerstörte das Rechtssystem, häufte qua Korruption enorme Ressource an und beschnitt die Menschenrechte und bürgerliche Freiheiten. Eigentlich müsste es ein Segen sein, dass diese Leute das Abkommen mit der EU zurückzogen und dass ein Land mit einem solchen Regime nicht von Europa aufgenommen wird. Das Problem ist aber, dass sie schon in Europa sind – mit ihren Villen, dem gestohlenen Geld und den Diplomatenpässen, was die Visa-Freiheit für den Rest der Ukraine in ihren Augen unnötig macht. Sie profitieren von der Rechtsstaatlichkeit und dem Eigentumsrecht im Westen, während sie diese Dinge in ihrem eigenen Land systematisch unterminieren. Nicht sie, sondern die vierzig Millionen Ukrainer werden von Europa ausgeschlossen, während die herrschende Elite la dolce vita in den Resorts des Westen genießt und das verarmte Land bis auf den letzten Tropfen aussaugt.“ (Eurozine)

 

11.09.2014: Andrej Kurkow über die Majdan-Bewegung: http://www.berliner-zeitung.de/kultur/essay-von-andrej-kurkow--putin-ist-staerker-als-das-gewissen-,10809150,28317366.html


11.09.2014: Keith Gessen schreibt in einer sehr genau recherchierten Reportage, wie sich die Situation in der Ost-Ukraine hochgeschaukelt hat: "Ich hatte erwartet, in Donezk einen totalitären Proto-Staat vorzufinden, und das tat ich auch... Was ich nicht erwartet hatte, waren so viele Menschen, die mit so viel Überzeugung und Hoffnung an ihn glauben, […] Niemand glaubte, dass all das zu einem Krieg führen würde. Die Leute waren verunsichert und unglücklich und wollten etwas dagegen tun. Dass der Protest solch eine starke separatistische Färbung bekam, lag weniger an den zentralen Forderungen der Demonstranten (regionale Autonomie hätte vielen genügt) als an der russischen Annexion der Krim. 'Die Konflikte hätten nicht zwangsläufig zum Krieg geführt', sagt Juri Dergunow (Politikwissenschaftler). 'Aber als die Krim mit einer totalen Separation davonkam, trieb das die Extreme auf beiden Seiten, die pro-ukrainischen und die pro-russischen, nach vorn. Das war Putin eigentliches Verbrechen - das brachte den Krieg hervor. Dann, am 12. April wurde die Polizeistation in Slawjansk, 50 Meilen nördlich von Donezk von einigen unidenfizierten Kommandos übernommen. Die Polizei wurde überwältigt. 'Das waren keine Einheimischen mit Jagdgewehren', erklärte mir der neue Polizeichef von Slawjansk, 'das waren bestens ausgebildete, gut ausgerüstete Männer'." London Review of Books (UK),

Ganzer Artikel: http://www.lrb.co.uk/v36/n17/keith-gessen/why-not-kill-them-all 

 

Solidarität mit der Ukraine: Die Schriftsteller Juri Andruchowytsch, Eva und Jens Reich, der Osteuropa-Historiker Karl Schlögel, Ulrich Schreiber, Leiter des Literaturfestivals Berlin, Thomas Sparr vom Suhrkamp-Verlag, Sylke Tempel, Chefredakteurin Internationale Politik und andere richten einen Aufruf an die Bundesregierung: „Nicht nur die Regierungen sind gefragt: Dies ist auch ein Weckruf an die europäische Zivilgesellschaft. Wir appellieren deshalb zugleich an die demokratische Öffentlichkeit, sich mit den Bürgerinnen und Bürgern der Ukraine zu solidarisieren. Wir dürfen nicht hinnehmen, dass der europäische Aufbruch der Ukraine mit Gewalt erstickt wird.“ Aufruf: http://www.austausch.org/

 

Waffenstillstand 



 

 

















Dringend notwendige Geographie-Nachhilfe


 

12.08.2014: Karl Schlögel schreibt in der Welt von derTopografie der Stadtzerstörung“ in Donezk, die er „Urbizid“ im Auftrag Putins nennt. „Humanitäre Katastrophen sind keine Naturereignisse, sondern sie werden gemacht – und sie werden benutzt, um den Gegner zu demoralisieren, in die Knie zu zwingen, Gesellschaften und Staaten zu destabilisieren. Niemand konnte sich noch im April vorstellen, dass eine Millionenstadt wie Donezk sich in ein Schlachtfeld verwandeln würde, dass aus dem Auftritt einer Gruppe von exotisch anmutenden, maskierten, offenbar von außen gekommenen Desperados ein Regime entstehen würde, das eine ganze Stadt zur Geisel nehmen, Exekutionen befehlen und Pressekonferenzen vor Ort würde abhalten könnten. […] Gegen derart Bewaffnete hat auch der Widerstand der couragiertesten Bürger keine Chance. Alles läuft, ist das Regime der Freischärler und Freicorps-Leute einmal etabliert, fast wie von selbst. Man okkupiert die städtische Infrastruktur, quartiert sich in Hotels und fremden Wohnungen ein, nutzt fremde Büros, wenn man sie nicht gleich zerstört. Das öffentliche Leben stirbt ab, die Straßen, die so belebt waren, sind menschenleer – abgesehen von den Bewaffneten –, man holt sich aus den Supermärkten, was man braucht, und enteignet Fahrzeuge aus den Autosalons, wenn nicht gleich von der Straße weg. Besetzung, Enteignung bis hin zu systematischem Kidnapping und Folter in dafür hergerichteten Einrichtungen.“

Ganzer Artikel: http://www.welt.de/print/die_welt/debatte/article131125449/Gefaehrlicher-Hilfskonvoi.html

s. hier auch: Karl Schlögel über Europa; Reise nach Brünn

 

18.07.2014: In seinem Blog belegt der Schweizer Journalist Jürg Vollmer alle Indizien, die zum Absturz des Flugs MH 17 der Malaysian Airlines geführt haben. In Form von Screenshots präsentiert er die Tweets und Postings auf dem russischen Facebook-Pendant Vkontakte – inklusive der eilig gelöschtenund lokalisiert anhand der im Netz und Medienberichten gezeigten Bilder des Flugabwehr-Systems dessen Standort: „Nur wenige Stunden vor dem Abschuss von Flug MH17 beobachteten wiederum Anwohner in den Kleinstädten Tores und Snischnoe dieses Flugabwehrraketen-System und dokumentierten es mit Fotos und Videos. Tores und Snischnoe liegen nur zehn Kilometer vom späteren Absturzort entfernt.“

http://www.juergvollmer.ch/post/92081104389/mh17-malaysia-airlines-ukraine-russland

 

Neue Bücher: Andrej Kurkow: Ukrainisches Tagebuch, Aufzeichnungen aus dem Herzen des Protests
280 Seiten, 17,90 Euro, IS
BN 978-3-7099-7154-3
Konrad Schuller: Ukraine. Chronik einer Revolution
208 S., 9,90 Euro, ISBN 978-3-940524-29-4. Der Band aus der Reihe Flugschriften von edition.fotoTAPETA (s. hier auch: Majdan!) versammelt Reportagen und Analysen des FAZ-Korrespondenten von November 2013 bis Ende Mai 2014. Schuller war dort, wo sonst vorwiegend polnische Kollegen unter Einsatz ihres Lebens vom Umbruch in der Ukraine berichteten.

 

15.06.2014: Gefälschte Fotos und Falschmeldungen sowohl aus russischen wie ukrainischen Zeitungen, Fernsehsendern und Webseiten werden auf dem Portal www.stopfake.org entlarvt.

 

Die Bedeutung der Majdan-Bewegung: „Die Leute erwarten nicht mehr, dass der nächste Präsident das Land rettet. Sie sind sich dessen bewusst, dass alles von ihnen selbst abhängt. Deswegen sind sie überall dort präsent, wo es um lokale Probleme geht. Die unzähligen Baustellen in Kiew etwa, die durch die korrumpierten Verhältnisse zustande kamen, wurden nach dem Majdan in vielen Fällen gestoppt und man ist zu geregelten Verfahren zurückgekehrt, die wieder durch die Gesellschaft kontrolliert werden. Diese gesellschaftliche Kontrolle ist etwas, das die Leute wieder gelernt haben.“ O-Ton des Schriftstellers Juri Andruchowytsch im Interview mit der taz.

 

25.05.2014: Wahl in der Ukraine

       

Warteschlange - n-tv.de

 

Vor der Wahl - dw.de

 

Wahlberechtigte - tagesschau.de

 

19.05.2014: Im Interview mit der taz erzählt Oleg Orlow, Mitbegründer der russischen Menschenrechtsorganisation Memorial, was Putin seines Erachtens mit dem Konflikt in der Ost-Ukraine will:„Die Ukraine destabilisieren. Eine Angliederung von Lugansk und Donezk an Russland wäre für Putin keine ideale Lösung. Sein Hauptziel ist es, die ukrainischen Machthaber zu zwingen, einer Föderalisierung zuzustimmen, die tatsächlich eine Konföderalisierung ist. Er will eine große Enklave an der Grenze zu Russland, die nur noch formal zur Ukraine gehört. In so einer Enklave werden extreme Separatisten das Sagen haben und sie werden die Lage langfristig destabilisieren.“

 

16.05.-19.05.2014, Konferenz, Kiew

Ukraine: Thinking Together / Gemeinsam Denken – Bernard-Henri Lévy, Slavenka Drakulić, Sergei Lukashevsky, Timothy Snyder, Mustafa Nayem, Serhii Leshchenko, Agnieszka Holland, Adam Michnik, Serhii Zhadan, Ivan Krastev, Wolf Biermann, Timothy Garton Ash, Karl Schlögel and Bernard Kouchner. Infos: www.Krytyka.com/en


14.05.2014Juri Andruchowytsch erzählt einen Witz und keiner lacht.... 

„Ein Ukrainer sagt zu einem anderen: Ich habe jetzt immer Angst, Russisch zu sprechen. – Warum denn? Weil die Nationalisten dir etwas antun könnten? – Natürlich nicht. Weil Putin dann auf die Idee kommen könnte, er müsse mich verteidigen.“ (In jedem Witz steckt eine Katastrophe – George Tabori)

 

09.05.2014: Die Ukrainer hätten ihre Lenin-Denkmäler ruhig stehen lassen können, meint Slavoj Žižek in der London Review of Books und erinnert daran, dass Lenin seinen letzten Kampf gegen Stalin und dessen Projekt einer zentralisierten Sowjetunion führte. 1922 mussten auf Stalins Geheiß die Ukraine, Belarus, Aserbaidschan, Armenien und Georgien ihren Wunsch erklären, der Sowjetunion beitreten zu dürfen, 1939 dann die drei baltischen Staaten: „Mit all dem kehrte Stalin zur vor-revolutionären Politik des Zaren zurück: Russlands Kolonisierung Sibiriens im 17. Jahrhundert und des muslimischen Asiens im 19. Jahrhundert wurde nicht länger als imperialistische Expansion verurteilt, sondern begrüßt, weil es diese rückständigen Gesellschaften auf den Pfad der fortschrittlichen Modernisierung brachte. Putins Außenpolitik ist eine klare Fortsetzung der zaristisch-stalinistischen Linie.“ Und Žižek schließt: „Die Demonstranten vom Maidan waren Helden, doch der wahre Kampf - für eine neue Ukraine - beginnt erst jetzt, und er wird noch härter als der Kampf gegen Putins Intervention. Ein neues und riskanteres Heldentum wird nötig sein. Gezeigt haben es schon jene Russen, die sich der nationalistischen Leidenschaft ihres Landes entgegenstellen und sie als Instrument der Macht entlarven. Es ist an der Zeit für eine Solidarität von unten zwischen Ukrainern und Russen.“

 

05.05.2014: Ein sog. Menschenrechtsrat (Berater des russischen Präsidenten), der Wladimir Putin zuarbeitet, hat die Lage auf der Krim untersucht und bestätigt nun in seinem Bericht, dass die offiziellen Ergebnisse des Referendums nicht stimmen. Nach der Abstimmung am 16.04.2014 war amtlich verkündet worden, dass mehr als 95 % der Wahlberechtigten für einen Anschluss an Russland gestimmt hätten – bei einer Wahlbeteiligung von 83 %. Die Zahlen wurden von vielen KritikerInnen stets angezweifelt (nur nicht von den selbsternannten Putin-Verstehern! s. hierzu auch: http://www.heise.de/newst... ), weil etwa die Krimtataren und viele Ukrainisch-Stämmige die Abstimmung boykottieren wollten. Für die Stadt Sewastopol führen Putins Berater aus: „Nach unterschiedlichen Angaben haben 50 bis 60 % der Abstimmenden für den Anschluss gestimmt, bei einer Wahlbeteiligung von 30 bis 50 %.“ - Viele Teilnehmer des Referendums hätten auch nicht für oder gegen einen Anschluss an Russland gestimmt, so die Einschätzung, sondern wollten mit der abgesetzten ukrainischen Führung um Ex-Präsident Viktor Janukowitsch abrechnen. Das Ja für Russland wäre vor allem Protest gegen die Willkür und Korruption der vom gestürzten Präsidenten Viktor Janukowitsch ernannten Regionalführung.(Die Einschätzungen finden sich versteckt in zwei Absätzen am Ende des Dokuments. Der Bericht ist online. Er ist aber über die Webseite des Rates nicht zu finden, auch die Suchfunktion listet ihn nicht auf. zeit-online)

 

Wie man aus dem „Dunkel des gelebten Augenblicks“ (Bloch) herauskommen kann, erläutern Sonja Margolina und Karl Schlögel in einem sehr klugen, erhellenden Gespräch mit Andrea Seibel, Die Welt, 02.05.2014:[….] Ich bewundere jedenfalls, wie die Ukraine diese Balance immer noch hält und sich nicht vor sich hertreiben lässt. Ja, ich bewundere diese Selbstdisziplin. [...] Auch die Solidarität mit der Ukraine ist keine menschenfreundliche Geste, sondern es geht um die Selbstverteidigung des hohen völkerrechtlichen Gutes, dass Staaten unverletzlich sind. Wenn es dort nicht gilt, dann gilt es auch für andere nicht.[...] Vor dreißig Jahren hat Milan Kundera geschrieben: „Die Tragödie Mitteleuropas ist nicht Russland, sondern Europa“, weil er das Gefühl hatte, der Westen habe Mitteleuropa aufgegeben. Wahr ist: Wenn Europa der Zerstörung der Ukraine tatenlos zusieht, gibt es sich auf.

! Das ganze Gespräch: http://www.welt.de/kultur/literarischewelt/article127510809/Putin-ist-Dschingis-Khan-mit-Internet.html !

 

Zur Propaganda auf beiden Seiten: http://www.berliner-zeitung.de/medien/blogger-aus-russland-und-der-ukraine-die-propaganda-der-anderen,10809188,27011146.html


Musik verbindet - und kann zur Entspannung beitragen...     (nicht immmer)

 

Das Auffälligste an deutschen Medien ist zurzeit, dass Gespräche über die Ukraine prinzipiell ohne die Ukraine stattfinden. Man muss keine historischen Analogien bemühen, aber unangenehm und beschämend ist es schon, dass das Land keine Stimme bekommt. Gibt es keinen einzigen ukrainischen Journalist, keine Journalistin, keine um Objektivität bemühten Politiker_innen oder einen Diplomaten, die es Wert wären, in mindestens eine der vielen Runden eingeladen zu werden?

 

29.04.2014: Die Bedrohung im Kopf ersetzt das Militär an den Außengrenzen

 

Tim Judah beobachtet, wie im Osten der Ukraine, in Charkiw und Samjansk, ein völlig irrationaler Hass gefördert wird: „Nach einem oder zwei Tagen sagen einem alle mehr oder weniger dasselbe: 'Wir wollen gehört werden', sagen die Leute. Die Regierung in Kiew, die dort nach dem proeuropäischen Umsturz die Macht übernommen hat, sei eine 'faschistische Junta', unterstützt von Europa und den USA. Als ob die russischen Medien - die hier größtenteils gelesen und gesehen werden - diese Botschaften irgendwie in die Köpfe der Menschen gepflanzt hätten und sie die Fähigkeit verloren hätten, selber zu denken. Sie sprechen mit so viel Zorn, als gehörten sie zu einer lange verfolgten Minderheit, als hätten sie vergessen, dass die Ostukrainer unter dem früheren Präsidenten Viktor Janukowitsch bis Februar das Land regiert hatten.“ New York Review of Books. Foto: © Konstantin Cherchinkin - n-ost)

 

24.04.2014: Der ukrainischen Autor Serhij Zhadan schreibt in einem bewegenden Essay für die FAS, wie fassungslos er vor dem Lauf der Ereignisse steht: „Ich glaube, dass vor anderthalb Monaten kaum jemand solche Entwicklungen voraussehen konnte. Die Anhänger vom 'Majdan', also Menschen, die die ukrainische Revolution unterstützt haben, darunter auch ich, konnten sich Folgendes jedenfalls nicht vorstellen: Dass sie sich nun gegen ihre eigenen Landsleute wehren müssen, die die neue Regierung in Kiew nicht anerkennen und es für möglich halten, im Nachbarland um militärische Unterstützung zu bitten.“
Moskau soll Pläne für die Krim haben,
enthüllt Elliott Hannon in der Bloomberg Businessweek: Putins will ein Las Vegas am Schwarzen Meer errichten und damit die Casinos bauen, die er vor einigen Jahren im Rest des Landes verbieten ließ: „Es gehört zu einem Plan, der die Krim weniger abhängig von Beihilfen aus Moskau machen soll. Die Region wird wahrscheinlich ein Haushaltsdefizit von 55 Milliarden Rubel (1,5 Milliarden Dollar) in diesem Jahr aufweisen und ungefähr 2,8 Milliarden Dollar Nothilfe bekommen, eine Ausgabe, die sich Russlands Wirtschaft kaum leisten kann.“ (Via Slate) Und Gerhard Gnauck besichtigt in der NZZ den Maidan, über dem noch immer der Brandgeruch hängt. (perlentaucher.de)

 

Krieg, Aggression und die deutschen Putin-Versteher:

Überall im Lande meldeten sich Putin-Versteher zu Wort. Mit großem Einfühlungsvermögen erinnerten sie daran, wie viel Land und Einfluss die gute alte Sowjetunion doch bei dem politischen Beben von 1989 verloren hatte. Man erinnerte sich nicht so gut an den Grund dieses Verlustes: Überall im ehemaligen Sowjetreich hatten die Völker ihr Recht auf Selbstbestimmung eingefordert und sich von einem kollabierenden System losgesagt, das nur mit Panzern aufrechterhalten wurde und ihnen keine Zukunft versprach. Die große "geopolitische Katastrophe" von 1989, die Putin beklagt, bestand in Wahrheit in einem historischen Akt der Befreiung. - Peter Schneider, deutscher Autor

http://www.welt.de/debatte/kommentare/article127118883/Friedensverwoehnt-vergessen-Deutsche-die-Aggression.html

 

   

Symbol der alten Sowjetunion - n-ost.de

 

Wächter in Janukowitschs Schlafzimmer - n-ost.de 

 

Der deutsche Historiker Heinrich-August Winkler hat wenig Verständnis für die Positionen der beiden sozialdemokratischen Ex-Kanzler und ihrer Bewunderer: „Bei Putins deutschen Apologeten geht das Verständnis, das sie für russische Sicherheitsinteressen aufbringen, mit einem Mangel an Verständnis für die Sicherheitsbedürfnisse der Staaten Ostmittel- und Südosteuropas einher. Die Folge sind neue Zweifel an der Berechenbarkeit Deutschlands, vor allem in Polen und den baltischen Republiken. In Warschau erinnert man sich noch lebhaft an die Zeiten, in denen die großen Nachbarn sich im Zweifelsfall auf polnische Kosten zu verständigen pflegten - von den Teilungen Polens im späten 18. Jahrhundert bis hin zum Hitler-Stalin-Pakt von 1939.“

https://zeitschrift-ip.dgap.org/de/ip-die-zeitschrift/themen/die-rueckkehr-des-voelkischen-nationalismus

 

 

 


Merke(n!): Friede ist das Meisterstück der Vernunft – Kant


 

© Boris Mikhailov, Fotografien aus Kiew

 



11.04. - 23.05.2014, Ausstellung, Wien

I Am A Drop In The OceanKunst der Ukrainischen Revolution. Präsentiert werden künstlerische und visuelle Ausdrucksformen des Protests, der das Land von November 2013 bis Februar 2014 erschütterte.

Seit Beginn standen KünstlerInnen im Zentrum der Ereignisse: sie gestalteten Plakate, organisierten (Massen-)Performances und schufen ihre Werke direkt am Majdan. Jede nur erdenkliche künstlerische Ausdrucksweise war willkommen, um der Revolution ein Gesicht zu geben. Die Ausstellung umfasst professionelle Kunstwerke genauso wie originäre Manifestationen revolutionärer Volkskunst. Ergänzt wird die Schau durch eine Video- und Fotodokumentation der Ereignisse und mit Materialien, die von den Aufständischen benutzt wurden.Kuratoren: Konstantin Akinsha, Alisa Lozhkina. Mit: Maksim Belousov, Aleksander Chekmenev, Mariam Dragina, Andriy Yermolenko, Kirill Golovchenko, Igor Gusev, Ilya Isupov, Ksenia Hnylytska, Civil Sector of Maydan, Boris Kashapov, Pavlo Kerestey, Vladislav Krasnoshchek, Sasha Kurmaz, Sergei Lebedinskyi, Olexa Mann, Oleg Matsekh, Markiyan Matsekh, Boris Mikhailov, Roman Mikhaylov, Roman Minin, Maria Pavlenko, Psyfox, Vlada Ralko, Vinni Reunov, Mykola Ridnyi, Oleksiy Radynsky, Aleksander Roytburd, Aleksei Say, Ivan Semesyuk, Nikita Shalennyi, Andrey Sydorenko, Victor Sydorenko, Strikeplakat, Oleg Tistol, Vasily Tsagolov, Myroslav Vayda.
Führungen für Gruppen und Schulklassen ab der 9. Schulstufe an.Kontakt:Mag. Isabell Fiedler, Tel: 01 587 96 63 / 20, E-mail:
kunstvermittlung@k-haus.at. Infos: www.k-haus.at

Künstlerhaus, Karlsplatz 5, 1010 Wien

(Lesenswert: MAJDAN! Ukraine, Europa. Hg.: Claudia Dathe und Andreas Rostek. Übersetzt durch translit e.V. und andere. edition.fotoTAPETA__Flugschrift, Broschur, 160 Seiten, ISBN 978-3-940524-28-7. 9,90 EUR)

 

           

Plakat von Egon Petrov

 

Civil Sector of Majdan, The Kingdom of Darkness...

 

Markyan Matsekh, Chopin - Peformance

 

Nikita Shalennyi, Where Is Your Brother?


14.04.2014: Friedenpreisträgerin Swetlana Alexijewitsch erzählt in der FAZ: „Wir haben nicht die Krim wiederbekommen, sondern die Sowjetunion. Die Sprache der Gewalt durchtränkt das ganze Leben. Morgens schaltet man den Computer an und liest immer das Gleiche: Die Russen kommen, die Russen haben sich erhoben. Überall, wo Gewalt wieder ein Ideal ist, findet sich auch ein Karadžić, der die Leute davon überzeugt, dass man mit der Maschinenpistole Gutes tun kann. Die roten Fahnen sind wieder da, der 'rote' Mensch ist wieder da. Alles erweist sich als quicklebendig. Fünfzehn Jahre hat Putin daran gearbeitet. Tag für Tag reanimierte das Fernsehen die sowjetischen Ideen. Und wir dachten, sie wären tot.“
Putin hat die ukrainische Zentralmacht in Kiew schon so zermürbt, dass er keine Panzer mehr loszuschicken braucht, um das Land zu zerschlagen: „Wahrscheinlich will Putin gar nicht einmarschieren, wenn er seine Ziele mit anderen Mitteln erreichen kann – und Turtschinows Einverständnis mit einer föderalen Ukraine mag ein großer Schritt hin zu diesem Ziel sein. Ja, es würde wahrscheinlich das Ende – oder zumindest eine sehr lange Verschiebung – der ukrainischen Hoffnungen auf einen Platz in der europäischen Sonne bedeuten. Denn Putin würde seinen Stützpunkt im Osten der Ukraine – dem industriellen Herz des Landes – als einen Hebel benutzen, um die andere Hälfte des Landes daran zu hindern, aus Moskaus Orbit zu treiben“,
meint Fred Kaplan in Slate.
Um unterschiedliche identitätsstiftende Narrative geht es auch in der Auseinandersetzung um die Ukraine und Kiew, weiß die Historikerin Liliya Berezhnaya, das der Metropolit Aleksandr als „Neues Jerusalem“ und Putin als die „Mutter der russischen Städte“ bezeichnet: „Die politische Instrumentalisierung von Religion ist an der Tagesordnung - auch durch die Wiederholung der beiden widerstreitenden Kiew-Narrative. Ein sakraler Mythos aus Geschichte und Erinnerung wird in einem säkularen Konflikt instrumentalisiert. Solange dies geschieht, ist kein Ende des Informations- und Propagandakonflikts um die Ukraine zu erwarten.“

 

13.04.2014: Cathrin Kahlweit beschreibt in der SZ die Lage in der Ostukraine als Aufstand Einiger und beginnender Invasion: „Soldaten ohne Hoheitsabzeichen rücken in Formation gegen verschreckte Polizisten vor, die Gebäude zu schützen versuchen. Wo es Gegenwehr gibt, wird geschossen; wer nicht flüchtet, wird mit Gewalt zur Seite geräumt. Das hat mit einer innerukrainischen Auseinandersetzung über lokale Autonomie, Föderalismus oder Zweisprachigkeit nichts mehr zu tun. Die Rolle Russlands ist eindeutig, auch wenn das viele ungern hören und glauben mögen: Moskau rollt die Ukraine von Osten her auf. Fakten werden geschaffen, Chaos, Angst und Desinformation werden verbreitet, alles wie gehabt.“ – Derweil herrscht in Moskau Hurrapatriotismus, Kritik wird weggedrückt, so schildert Kerstin Holm die Lage: „Offenbar soll der russische 'Sieg' über die Versuchungen des ukrainischen Majdan im Inneren durch eine repressive Kulturpolitik gekrönt werden, eine Art Neuauflage der Anti-Internationalismus-Kampagne von 1948, als Stalin das Selbstbewusstsein seiner Europa-erfahrenen Untertanen rabiat zurückstutzte. Der von Denunziation und vorauseilendem Gehorsam getriebene Zug rollt schon.“

 

08.04.2014Auf dem Majdan: [...]Alena ist Ärztin...: „So viele Leute mussten hier am Majdan sterben. Wir haben monatelang demonstriert und am Ende Viktor Janukowitsch aus dem Amt gejagt. Und jetzt haben wir Putin am Hals!“ Allmählich bildet sich eine Menschentraube. Das Thema beschäftigt viele. Der Konflikt zieht sich durch die Familien, sagt Andrej, der hinzugekommen ist: „Mein Bruder wohnt in Tula und glaubt mir nicht, dass bei uns auf den Straßen nicht lauter Faschisten herumlaufen!“ (Aus einem Artikel der n-ost-Korrespondentin Simone Brunner)

 

06.04.2014: „Bis zu den Präsidentschaftswahlen in der Ukraine wird Wladimir Putin die Lage im Osten des Landes destabilisieren, so dass die Wahlen nicht anerkannt werden und die Leute sich von Kiew nicht ernst genommen fühlen. Es wird Ausschreitungen geben, Rufe nach einem Referendum und Putin wird im Osten eingreifen“, sagt der Moskauer Ökonom Wladislaw Inosemzew im ORF. Putin schade mit seinem Vorgehen in der Ukraine dem eigenen Land, denn nicht nur finanzstarkes Kapital verlasse das Land, sondern auch humanes, also all jene Unzufriedenen, die Russland zurzeit eigentlich dringend braucht. Laut Regierungsinformationen sollen im ersten Quartal dieses Jahres etwa siebzig Milliarden Dollar aus Russland abgeflossen sein – mehr als im gesamten Vorjahr. Inosemzew befürchtet, dass selbst wirtschaftliche Einbrüche Putins antiwestlichen Kurs nicht ändern, vielmehr sei es wahrscheinlicher, dass er sich mit der Krim nicht begnüge.

 

01.04.2014: Die rund hundert getöteten Demonstranten vom 20.02.2014, dem gewalttätigsten Tag der Auseinandersetzungen auf und um den Majdan in Kiew, sind offenbar von Scharfschützen erschossen worden. Dies belegten die auffällig präzisen Wunden in Kopf- oder Herznähe. Jamie Dettmer bringt in The Daily Beast Belege, dass die Scharfschützen aus einer Eliteeinheit des ukrainischen Geheimdiensts SBU stammten. Fotomaterial zeige, wie die Geheimdienstler sich in ihrem Hauptquartier versammelten und verkleideten: „Der SBU ist Nachfolger des ukrainischen Zweigs des KGB aus Sowjetzeiten und hat bis heute außerordentlich enge Beziehungen zu Moskau. Lange Zeit 'kamen führende SBU-Beamte vom KGB', sagt Boris Volodarsky, ein früherer russischer Geheimdienstler und Autor des Buchs 'The KGB's Poison Factory'. Nach seinen Angaben hat der heutige russische Geheimdienst über Jahre sichergestellt, dass er in sein ukrainisches Gegenstück einbezogen ist und dass 'Agenten und Ansprechpartner vor Ort bleiben'. Dies war unter der Präsidentschaft des Russland-Freunds Janukowitsch leicht zu bewerkstelligen.“ Da die jetzige Übergangsregierung den SBU selbst (wenn auch unter neuer Führung) in ihre Ermittlungen eingeschaltet hat, gab es bisher allerdings keine unabhängige Untersuchung der Vorfälle.

 

26.03.2014: Eine Sammlung von Videos aus der Ukraine von Thilo Jung (Jung & Naiv-Blog):

https://www.youtube.com/playlist?list=PLuQE_zb4awhVV08DI5sFJEAevQNJh0SkM

 

24.03.2014: Der auch journalistische Aufbruch, der in den letzten Wochen nach dem Ende des Regimes von Wiktor Janukowitsch sichtbar und hörbar wurde, ist in den meisten Kommentaren fast verloren gegangen, z.B. die Arbeit der Journalistinnen und Journalisten, die mit http://www.yanukovychleaks.org/ konsequent die in der Residenz des ehemaligen Machthabers aufgefundenen Dokumente nicht nur online stellten, sondern auch sofort für alle durchsuchbar machten. Wie wichtig gerade die Sozialen Medien in diesem Zusammenhang auch für die Vermittlung Richtung Deutschland sind, macht aktuell der politische Dokumentarfilmer Stephan Lambys mit My Revolution - Video Diary from Kiew deutlich, einem Zusammenschnitt von authentischem wie subjektivem Material von Bloggern und Aktivisten aus Kiew:

 


Viktor Jerofejew
ist entsetzt über die Annexion der Krim, hält sie aber aus russischer Sicht für unabdingbar. Kerstin Holm in der FAZ: „Die Hochstimmung seiner Landsleute dürfte freilich bald in Ernüchterung umschlagen, glaubt Jerofejew, spätestens wenn die ungeheuren Kosten für Infrastruktur und Versorgungswege im neuen Territorium bekannt und die jetzt schon anziehende Inflation für jeden spürbar würden.“

Sanktionen: Der eigentliche Rohstoff in den europäisch-russischen Beziehungen ist nicht das Gas, sondern das Geld, meint Richard Herzinger in einem Pro und Contra zu Sanktionen in der Welt: „Russland ist auf die Einnahmen aus Gaslieferungen nach Europa dringend angewiesen und kann es sich kaum leisten, sie zu drosseln oder gar einzustellen.“ Herfried Münkler wirft den Bürokraten aus Brüssel mangelndes geo-politsches Talent vor.

Vergleich mit Kosovo: In Open Democracy lehnen Paul Linden-Retek und Evan Brewer, die für die EU die Unabhängigkeit des Kosovo juristisch formulierten, die Parallele zwischen Kosovo und Krim ab: „Es gibt keine vergleich- und belegbaren Hinweise auf Verletzungen von Grundrechten in der Krim. Die Fakten vor Ort belegen keine Unterdrückung der Bevölkerung, die die Krim als Begründung für eine Sezession zum Schutz der Bevölkerung anführen könnte, und die 'innere Selbstbestimmung' der Krim ist nicht gefährdet. Schon die Existenz eines Parlaments der Krim, das das Referendum ersonnen hat, widerlegt das Argument, dass ihre Selbstbestimmung eingeschränkt sei.“
Ein Referendum gab es bereits 1991, darauf
weist Gilles Hertzog Blog La Règle du Jeu hin: „Niemand prangerte damals das Referndum als illegetim an, obwohl klar war, dass auf der Krim Russen leben. Auch wenn die Wahlbeteiligung gering war (60 Prozent), es stimmten 54 Prozent der Einwohner der Krim, ob Russen oder nicht, für die Unabhängigkeit der Ukraine, 46 Prozent dagegen. In Sewastopol mit seiner russischen Marine-Basis erreichte die Mehrheit sogar 58 Prozent. In den ostukrainischen Provinzen, die Russland unter dem Vorwand der russischsprachigen, von 'Faschisten' unterdrückten Bevölkerung herauszulösen träumt, waren die Zahlen noch wesentlich klarer: 90 Prozent in Charkiv, Donetsk und anderen Städten.“
Neue Weltkarte: Klaus-Helge Donath
spricht mit Fjodor Lukjanow, dem Chefredakteur der wichtigsten russischen Zeitschrift für Außenpolitik, Rossija w globalnoi politike. Für Lukjanow resultiert die Krise in der Ukraine daraus, dass die EU die Ukraine zu einer Entscheidung zwischen Moskau und Brüssel gedrängt habe. Wenn sich die russischen Beziehungen zum Westen nun verschlechtern, würde Russland sich eben nach Osten orientieren: „Die Welt besteht aus mehr als nur dem Westen. In diesem Fall bliebe Russland nichts anderes übrig, als das Verhältnis zu China qualitativ neu zu beleben, was Peking ja schon lange vorschlägt. Die UdSSR und Russland waren bislang immer nach Westen ausgerichtet. Putin hat Sibirien und den Fernen Osten indes schon zur Priorität erklärt. Gibt Russland seine Westausrichtung auf, wird die Weltkarte neu gezeichnet. Die Welt und Russland werden anders aussehen.


22.03.2014 - Herta Müller über Putin und die Ukraine:

Lesen für die Ukraine: Als Zeichen der Solidarität und nicht nachlassenden Aufmerksamkeit wollen Literaturhäuser in Deutschland, Österreich und der Schweiz jede ihrer Veranstaltungen im März mit einer kurzen Lesung aus Texten zeitgenössischer ukrainischer AutorInnen beginnen, auch auf Lesungen destranzyt-Schwerpunkts der Leipziger Buchmesse. - Viele SchriftstellerInnen, die bereits während derOrangenen Revolution 2004 eine aktive Rolle gespielt haben, haben sich in den letzten Monaten zu Wort gemeldet, als TeilnehmerInnen und KommentatorInnen der Ereignisse – „oft unter erheblichen persönlichen Risiken. So wurde Serhij Zhadan bei Euromaidan-Protesten in Charkiv von prorussischen Demonstranten brutal zusammengeschlagen“, nennt Boris Nitzsche von der Literaturwerkstatt Berlin ein Beispiel. Dass die zeitgenössische Literaturszene in der Ukraine eine der vielstimmigsten und lebendigsten in Europa sei, davon zeugten Autoren wie Juri AndruchowytschAndrij Bondar, Andrej KurkowTanja MaljartschukMaria MatiosTaras ProchaskoOksana SabuschkoNatalka Sniadanko und Serhij Zhadan. Die Solidaritätskundgebung geht zurück auf eine Initiative der Lektorin Katharina Raabe, (s. hier: Stephane Hessel) die sich seit Jahren für die Entdeckung und Vermittlung osteuropäischer Literaturen engagiert. Koordination: nitzsche@literaturwerkstatt.org. Die Literaturwerkstatt Berlin gibt auch im 15. poesiefestival berlin AutorInnen aus der Ukraine eine Stimme: Am 12.06.2014 finden Lesungen, Colloquien und Performances mit DichterInnen aus der Ukraine statt. Der Ukraine-Tag des poesiefestivals berlin wird kuratiert von Serhij Zhadan und Juri Andruchowytsch. (boersenblatt.net)

 

!!! Buchtipp: Majdan! – Ukraine Europa. edition.fotoTAPETA__Flugschrift. 160 S., brosch., € 9,90. ISBN 978-3-940524-28-7: Geschichtsschreibung des Augenblicks mit Stimmen aus der Ukraine und anderen Ländern, s, hier Empfehlungen) und antiquarisch:

http://radiergummi.wordpress.com/2014/02/09/irina-ratuschinskaja-die-frauen-von-odessa/

 

15.03.2014 - Pro-russische Wahlwerbung für das Referendum auf der Krim

 

14.03.2014 – Moskau reagiert mit stärkerer Kontrolle der Medien. Oppositionelle Internetseiten wie den Blog des Oppositionellen Alexej Nawalny und die Webseite von Garri Kasparow wurde gesperrt, zahlreiche Journalisten des Portals lenta.ru kündigten, nachdem ihre Chefredakteurin entlassen worden war – offensichtlich wegen ihrer Ukraine-Berichterstattung.

 

14.03.2014 – Moskau reagiert mit stärkerer Kontrolle der Medien. Oppositionelle Internetseiten wie den Blog des Oppositionellen Alexej Nawalny und die Webseite von Garri Kasparow wurde gesperrt, zahlreiche Journalisten des Portals lenta.ru kündigten, nachdem ihre Chefredakteurin entlassen worden war – offensichtlich wegen ihrer Ukraine-Berichterstattung.

 

13.03.2014: Rede von Gregor Gysi vor dem Deutschen Bundestag 

 

10.03.2013 – Der ukrainische Schriftsteller Andrej Kurkow möchte nicht von Putin „gerettet“ werden: „Das Wort Russe entfacht keinerlei Aggressionen unter Ukrainern und entzündet auch keine Funken des Hasses in ihren Augen. Mein Großvater betrat als erster ukrainischen Boden. Er kam 1943, fiel in der Schlacht um Charkow und wurde in einem Massengrab an der Eisenbahnkreuzung von Walky, nicht weit von der Innenstadt. Er starb im Kampf gegen den Faschismus, und ich muss mich jetzt als Faschist bezeichnen lassen, weil ich gegen die Besetzung meines Landes durch Putins Armee bin, weil ich gegen einen Staat der totalen Korruption bin, wie ihn Janukowitsch und sein Clan errichtet haben, und weil ich in einem Land leben möchte, in dem die Grundsätze eines Rechtsstaates gelten.“ Ganzer Artikel:http://www.theguardian.com/books/2014/mar/06/ukraine-crisis-russia-andrey-kurkov

Juri Andruchowytsch schreibt in Le Monde über die russische Propaganda: „Es gibt Lügen. Es gibt große Lügen. Es gibt krasse Lügen und schamlose Lügen. Aber die höchste Form der Lügen ist die russische Propagandamaschine. Sie ist auf unverrückbare Traditionen und derartig mächtige Geldströme gebaut, dass man sie bis heute nicht bremsen kann. Ganzer Artikel:

http://www.lemonde.fr/idees/article/2014/03/08/la-menace-russe-unit-les-ukrainiens_4379648_3232.html

Swetlana Alexijewitsch, Journalistin und Friedenspreisträgerin, die mütterlicherseits Ukrainerin ist, sagt in der FAZ: „Das Schlimmste, was man sich vorstellen kann, wäre ein Krieg zwischen Russland und der Ukraine. Ein solcher Krieg wird niemanden schonen, Sieger wird es nicht geben.“ Sie hat aber auch einenWitz parat: Janukowitsch wird gefragt: Wieso ist Putin über die Ukraine hergefallen? Er sagt: Ich hab ihn darum gebeten. Und wie kamen Sie zu so einer Bitte? Antwort: Er hat mich darum gebeten.  

 

09.03.2014 - Andere Blicke: Die Expansion des Westens, vor allem die Nato,  schürt die Konflikte in der Ukraine und auf der Krim:

http://www.theguardian.com/commentisfree/2014/mar/05/clash-crimea-western-expansion-ukraine-fascists

Ein Maidan-Kämpfer berichtet: http://www.haaretz.com/news/world/1.577114 

und: Ein mit der Macht Vertrauter, ein früherer "Macht-Ausüber", über Macht:http://www.washingtonpost.com/opinions/henry-kissinger-to-settle-the-ukraine-crisis-start-at-the-end/2014/03/05/46dad868-a496-11e3-8466-d34c451760b9_story (Tipp von Daniela Capcarová, hier u.a.: Ein Jahr KHE Kosice

 

07.03.2014 - Entsetzen und Angst in der Region, also in der Ukraine, auf der Krim,  Hilflosigkeit in der EU angesichts der Unverfrorenheit, vielleicht aber auch kluger Strategie Putins, der zeigt, wie man seine Gegner vorführt, Lähmung, da zu unterschiedliche nationale Interessen im Vordergrund stehen. „Das Internet hat den Krieg in jedes Haus getragen. Live wird man Zeuge und Teilnehmer der Strassenkämpfe in Kiew, von Demonstrationen auf der Krim und Verhaftungen in Moskau. Gerade jetzt, während ich diese Zeilen schreibe, rollt ein achtzehnjähriges rothaariges Mädchen auf der Manege vor dem Kreml ein Plakat aus: „Nein zum Krieg“. Ein Polizist mit einem Megafon nähert sich ihr: „Verschwinden Sie! Ihre Aktion ist nicht bewilligt!“ Sie schreit zurück: „Euer Krieg ist nicht bewilligt!“ - so beginnt der russische Schriftsteller Michail Schischkin (s. hier auch: M. Schischkin- Michail Schischkin) seinen engagierten Beitrag über die Agonie einer Diktatur. Und weiter: Die russische Regierung habe die „unverzeihliche Gemeinheit“ begangen, zwei Brudervölker gegeneinander aufzuhetzen. Ganzer Artikel:http://www.nzz.ch/aktuell/feuilleton/uebersicht/russlands-ukrainische-zukunft-1.18257531

 

05.03.2014 –  Boris Reitschuster, Journalist und Putin-Biograf kritisiert auf ostpol.de die Berichterstattung deutscher Medien: http://ostpol.de/beitrag/3889-medienkritik_der_krimkonflikt_als_news_haeppchen

 

Anfang März 2014: Die Halbinsel Krim wird wegen ihres milden Klimas geschätzt, ist strategisch wichtiges Tor zum Mittelmeer und war schon für die Osmanen der nördliche Verteidigungspunkt ihres Reiches. Sie ist eine regionale wirtschaftliche Macht und bereits seit der Zeit Katharinas der Großen militärischer Stützpunkt der Schwarzmeerflotte, die nach dem 2. Weltkrieg weiter ausgebaut wurde. Noch 1944 versuchten die Deutschen, die Krim zu erobern. - Die Krim ist eine autonome Region der Ukraine, aber mindestens sechzig Prozent der Bevölkerung sind russisch-stämmig und definieren sich in Sprache, Kultur und Religion als Russen. Man verwaltet also von Kiew aus eine Region, die mehrheitlich nicht-ukrainisch ist, oft nicht einmal der Papiere nach. In der jetzigen Situation scheint es leicht, (nationale) Spannungen zwischen der russischen Mehrheit und den Minderheiten zu schüren, soziale Hierarchien sind zusätzlicher Sprengstoff. Die ukrainische Hauptstadt Kiew (als Wiege der Rus, also des alten Russlands, auch zum russischen Gründungsmythos gehörig) ist Warschau geographisch näher als der Krim, der westliche Teil der Ukraine war bis 1939 polnisch (was sich mit dem sog. Hitler-Stalin-Pakt änderte), der südliche Teil gehörte bis 1918 zum österreichischen Habsburger-Reich, der östliche Teil der Ukraine ist das Industriegebiet und wirtschaftlich eng mit Russland verflochten. Zwischen Lemberg (polnisch: Lwów, ukrainisch Lwiw) und der Krim liegen Welten, Okzident und Orient, es umfasste einmal, bis zu seiner ersten Teilung, das Territorium des Polnisch-Litauischen Königreichs. - Auf der Krim zeigten schon die weißen Reichen ihren Reichtum, wie es jetzt die Neureichen tun. Die Krim ist Sanatorium, Luxus und Ballermann der Russen, war (und ist) Refugium der Künstler und Schriftsteller, wie etwa Antonín Tschechow, der an Tuberkulose erkrankt, sich aus gesundheitlichen Gründen 1898 in Jalta (wo es auch ein Tschechow-Museum gibt) niederließ und dort „Drei Schwestern“, „Der Kirschgarten“, einige seiner berühmtesten Erzählungen und Briefe an seine Frau Olga (Knipper) schrieb. Hier, an den Küsten des Schwarzen Meeres, entstand eine Gesellschaft der Reichen und Wohlhabenden, die ihren Reichtum nicht dem kargen Hinterland der Halbinsel verdank(t)en, sondern Russland bzw. seinen Potentaten, eine Schicht, die sich an russischer oder süd- und westeurpäischer Kultur orientierte. 


22.-23.02.2014 – Ukraine: Ruhepause? - Reset? - Umbruch?



Das Parlament erklärt Janukowitsch für abgesetzt, Neuwahlen sollen am 25. Mai stattfinden.
Julija Timoschenko ist aus der Haft entlassen worden und will bei der Präsidentschaftswahl kandidieren, wie sie auf dem Maidan verkündete. Ein riesengroßes Plakat am Platz verkündet ihren Machtanspruch.Timoschenkos Vertraute Awakow und Turtschinow werden vom Parlament zum Innenminister bzw. Parlamentspräsidenten gewählt. Allerdings stellen die östlichen Landesteile die Rechtmäßigkeit der Beschlüsse des Parlaments infrage. Die Polizei in Kiew erklärt sich solidarisch mit der Opposition (nachdem sie wochenlang auf DemonstrantInnen eingeprügelt und sie festgesetzt hat!?), die Verfassung von 2004 soll wiedereingesetzt werden. Es sieht nach Einigung und friedlichem Ende eines Kampfes aus, aber die Opposition ist uneins bzw. schon jetzt zerstritten, die Menschen auf dem Platz misstrauen den Oppositionsvertretern – und viele warnen überdies vor dem (auch militärisch) gut organisierten Rechten Sektor (NSPU - Swoboda, Mitglied der Allianz der Europäischen nationalen Bewegungen, eine Vereinigung, zu der auch die ungarische Jobbik und die British National Party gehören), der vor allem einen nationalistisch geprägten Umsturz will. Die gelben Armbinden mit der Wolfsangel erinnern daran. Gerade im Westen wurden diese Rechtsradikalen gerne als „Stimme des Euromaidan“ vorgestellt und damit verharmlost. Bei Wahlen werden sie eine große Rolle spielen. Sicherlich begrüßenswert ist, dass Julija Timoschenko endlich aus der Haft entlassen ist, ob allerdings ihre Rückkehr in Machtpositionen dem Demokratisierungsprozess und dem Kampf gegen Korruption und Vetternwirtschaft förderlich ist, fragen sich einige Oppositionelle schon jetzt. Zurzeit werden Dokumente gesichtet, das Parlament will täglich tagen und für Transparenz sorgen. Die Oligarchen im Osten wappnen sich. Und Putin auch....

Ukrainische Sicherheitskräfte auf dem Majdan in Kiew - dpa


Veröffentlicht am 20.02.2014


19./20.02.2014 - Ukraine - Links zur Situation:
Kireev, Oleg: Povarennaja kniga media-aktivista
Zaslawskaja, Jelena: Molitva
Zaslawskaja, Jelena: I vypolzajut morloki-šachtery
http://www.pravda.com.ua
http://www.bbc.co.uk/ukrainian
http://hromadske.tv
spilno.tv

www.ustream.tv/channel/spilno-tv
Marina Weisbrand@Afelia - Twitter
Espreso.tv bietet einen ukrainischen Livestream

Stoßgebet
 von Jelena Zaslawskaja

Ohne den Mund zu öffnen / Sage ich ein einfaches Gebet auf: / Es soll nicht sein, / Bruder gegen Bruder, / Schwester gegen Schwester. / Keine Antwort auf das Gebet, / Der Himmel / Bleibt im schwarzen Nebel. // Dass ich gerade lebe, / Ist unwichtig. Wichtig ist, wofür ich sterbe. / Rattert eure seichten Beichten ab / Und hofft, dass man auf „share“
 drückt. / Die Molotow-Cocktails / Sind im Frost so heiß! // Was träumst Du, Beschützerin? / Was siehst du dort? / Meine Ukraine steht am Rand der Welt, / Am äußersten Rand des Kriegs. (gefunden auf der lesenswerten website: 
www.novinki.de; Übersetzung: Tatjana Hofmann)

08.02.2013: Der vom Internationalen Literaturfestival Berlin verbreitete  Brief von Wolf Biermann


© Plakat des Widerstands, AP


Lieber Vitali Klitschko,

weil wir Sie kennen und schätzen, senden wir Ihnen persönlich ein paar Worte der Ermutigung an all die Menschen, die jetzt in der Ukraine für wahre Demokratie und gegen die falsche, die „lupenreine Demokratie“ à la Putin und Janukowytsch, so tapfer kämpfen.

Auf vielen Kontinenten tobt der ewige Freiheitskampf, der seit Generationen in immer neuen Kostümen und historischen Kulissen ausgefochten wird. Aber die Ukraine ist hier in Europa unser Nachbar, und also berührt dieser Streit viel direkter auch unsere eigenen Interessen und unser Schicksal.

Heinrich Heine - der wohl deutscheste all unserer großen Dichter - schrieb im französischen Exil, in Paris des Jahres 1851, seine politische Lebensbilanz „Enfant Perdu“. Der Poet nennt sich da ein verlorenes Kind und zugleich einen treuen Kämpfer im ewigen Freiheits-Krieg.

Dieser Krieg um Freiheit und um die Freiheiten ging immer wieder verloren, und er wurde trotzalledem immer neu gewagt, in wechselnden Zeiten der Menschheitsgeschichte.

In diesen Tagen tobt der Freiheitskrieg in der Ukraine - und nicht nur auf dem Majdan-Platz in Kiew. Wir Deutschen erleben diesen Kampf nur am Fernsehapparat, so wie sonst Ihre Boxkämpfe. Wir bestaunen und bewundern, dass dieser ukrainische Weltmeister mehr kann als mit den Fäusten sprechen. Bitte wirken Sie weiter - als Patriot der Ukraine und zugleich Europäer - im Sinne einer völkerverbindenden „Bridge over Troubled Water“. Und übermitteln Sie bitte Ihren Freunden in Kiew diese erste Strophe des Heine-Gedichtes:

 

Enfant Perdu

Verlorner Posten in dem Freiheitskriege,

Hielt ich seit dreißig Jahren treulich aus.

Ich kämpfte ohne Hoffnung, daß ich siege,

Ich wußte, nie komm ich gesund nach Haus.


Aber vollenden Sie diesen Vers heute in der ukrainischen Wirklichkeit weniger pessimistisch als damals unser exilierter Poet in seinem Gedicht. Sie stehen ja zum Glück nicht auf verlorenem Posten.

Wir hoffen mit Zorn und Bangen, dass die Hoffnung auf einen unblutigen Sieg Ihnen und Ihren Freunden in Kiew nicht verloren geht. Alle, sogar auch die missbrauchten Polizisten des diktatorischen Regimes, sollen, anders als im Heine-Gedicht, wieder gesund nach Hause kommen.

Wolf Biermann, am 04. Februar 2014


© Barrikaden im Zentrum Kiews, dpa


 

© ilb; ap, Reuters, dpa; s.a. Spots 2014

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