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Gegen Überwachung


Vor wenigen Tagen hat die brasilianische Präsidentin Dilma Rousseff eine Rede vor der UNO gehalten, die das Problem mit der Überwachung auf den Punkt bringt. Frau Rousseff spricht Präsident Obama direkt an und stellt konkrete Forderungen, z. B. den Schutz von Meinungsfreiheit, Privatsphäre und Menschenrechten im Internet sowie die Gewährleistung von Netzneutralität.
So sieht es aus, wenn ein Staatsoberhaupt das Problem verstanden hat und handelt.

© Foto: iguatu.org



„Sehr geehrter Herr Präsident,


ich möchte das Augenmerk der Delegationen auf eine Angelegenheit von hoher Bedeutung und großem Gewicht lenken. Jüngste Enthüllungen über die Aktivitäten eines globalen Netzwerkes elektronischer Spionagetätigkeiten haben weltweit für Empörung und Ablehnung in der öffentlichen Meinung gesorgt. In Brasilien war die Situation noch gravierender, da sich zeigte, dass der Eingriff bei uns sehr gezielt stattfand. Persönliche Daten der Bürger wurden wahllos abgefangen. Informationen von Wirtschaftsunternehmen - oft von hohem wirtschaftlichen und sogar strategischem Wert - standen im Zentrum der Spionagetätigkeit. Überdies wurde die Kommunikation diplomatischer Einrichtungen Brasiliens abgefangen - darunter die Ständige Vertretung bei den Vereinten Nationen und das Büro der Präsidentin von Brasilien selbst.

Eine derartige Manipulation nationaler Angelegenheiten anderer Länder stellt einen Völkerrechtsbruch dar und einen Affront gegen grundlegende Prinzipien, die die Beziehungen zwischen den Ländern prägen – umso mehr, da es befreundete Nationen betrifft. Eine souveräne Nation darf ihre Interessen niemals auf Kosten einer anderen souveränen Nation sichern. Das Recht auf Sicherheit der Bürger des einen Landes darf niemals auf die Verletzung grundlegender Menschenrechte der Bürger eines anderen Landes gegründet werden.

Die Argumente, dass illegales Abfangen von Informationen und Daten dem Schutz der Völker gegen den Terrorismus dienten, sind nicht haltbar. Brasilien, Herr Präsident, weiß sich selbst zu schützen. Wir lehnen Terroristen ab, bekämpfen sie und unterstützen sie in keiner Weise. Wir sind ein demokratisches Land, umgeben von demokratischen Nationen; wir sind friedliebend und achten das Völkerrecht. Wir leben seit mehr als 140 Jahren mit unseren Nachbarn in Frieden. Wie viele andere Lateinamerikaner, kämpfte ich seinerzeit gegen autoritäre Regierungen und Zensur und ich kann nicht anders, als das Recht auf Privatsphäre des Einzelnen und der Souveränität meines Landes kompromisslos zu verteidigen. Ohne das Recht auf Privatsphäre kann es keine wahre

Meinungs- und Redefreiheit geben und folglich keine echte Demokratie. Ohne die Achtung der Souveränität gibt es keine Grundlage für die Beziehung zwischen Nationen.

Herr Präsident, wir stehen der Tatsache schwerer Menschen- und Bürgerrechtsverletzungen gegenüber; wir sehen uns einer Invasion ausgesetzt, die zum Zweck hat, vertrauliche Informationen über Unternehmensaktivitäten zu erbeuten - und dies unter Missachtung der nationalen Souveränität. Wir drückten der Regierung der USA unsere Missbilligung aus und verlangten Erklärungen, Entschuldigungen und Garantien dafür, dass sich diese Aktivitäten nicht wiederholen.

Friedliche Regierungen und Gesellschaften, die, wie in unserem Fall, eine ehrliche strategische Partnerschaft aufzubauen suchen, können nicht zulassen, dass rechtswidrige Daueraktionen zur Normalität werden. Das ist nicht akzeptabel. Brasilien, Herr Präsident, wird seine Anstrengungen verdoppeln, um Gesetze, Technologien und Mechanismen zu schaffen, die das rechtswidrige Abfangen von Kommunikation und Daten unterbinden. Meine Regierung wird alles in ihrer Macht stehende tun, um die Menschenrechte aller Brasilianer zu verteidigen und die Früchte des Erfindungsreichtums unserer Unternehmer und unserer Arbeitskräfte zu beschützen. Das Problem

jedoch geht über eine bilaterale Beziehung hinaus. Es wirkt sich auf die internationale Gemeinschaft insgesamt aus und verlangt eine Antwort von ihr. Informations- und Telekommunikationstechnologien dürfen nicht zum neuen Schlachtfeld zwischen den Staaten werden. Die Zeit ist reif zur Schaffung von Regelungen, die verhindern, dass das Internet durch Spionage, Sabotage und Angriffe auf Systeme und Infrastrukturen anderer Länder als Kriegswaffe

eingesetzt wird.

Die UN müssen im Bezug auf diese Technologien eine führende Rolle bei den Bemühungen um einen zwischenstaatlichen Verhaltenskodex spielen. Aus diesem Grund wird Brasilien Vorschläge für die Schaffung eines zivilen multilateralen Rahmenabkommens machen, um das Betreiben und die Nutzung des Internets und den wirksamen Schutz von Daten, die durch das Netz reisen, zu gewährleisten. Wir müssen multilaterale Mechanismen für das Internet schaffen, die in der Lage sind, Prinzipien, wie die folgenden, sicherzustellen:

1. Die Freiheit der Meinungsäußerung, der individuellen Privatsphäre und die Achtung der

Menschenrechte.

2. Offener, multilateraler und demokratischer Netzbetrieb, transparent durchgeführt durch die

Förderung kollektiver Kreativität und die Beteiligung von Gesellschaft, Regierungen und dem

Privatsektor.

3. Allgemeingültigkeit, die die soziale und menschliche Entwicklung und die Errichtung

integrativer und diskriminierungsfreier Gesellschaften gewährleistet.

4. Kulturelle Vielfalt, ohne die Auferlegung von Überzeugungen, Bräuchen und Werten.

5. Netzneutralität, nur geprägt von technischen und ethischen Kriterien, die es unzulässig machen,

dass das Netz für politische, wirtschaftliche, religiöse oder andere Zwecke beschränkt werden

kann.

Das gesamte Potenzial des Internets auszuschöpfen erfordert daher eine verantwortliche Regulierung, die gleichermaßen sowohl die Freiheit der Meinungsäußerung als auch den Schutz und die Achtung der Menschenrechte garantiert.“


Quelle: NETZPOLITIK.ORG + keine Gewähr für inhaltliche Richtigkeit, wenngleich nach bestem Wissen laienhaft übersetzt. + 26.09.2013 Günther Pagel + www.g-pagel.de + Version 3. © Foto: iguatu.org


Die Rede gibt es als PDF: http://bit.ly/18jtL2s

Der Marsch aufs Kanzleramt wenige Tage vor der Wahl hat der Petition große mediale Aufmerksamkeit beschert. Der Protestmarsch mit Übergabe von über 67.000 Unterschriften war sogar in der Tagesschau zu sehen.

Wer die Kampagne (Brief an Merkel hier jetzt unter: Prism und Tempora) weiter unterstützen möchte, findet unten einen Vorschlag für ein Anschreiben an Frau Merkel, das mit der heruntergeladenen PDF an folgende Mailadresse gesendet werden soll: steffen.seibert@bpa.bund.de

Je mehr Menschen mitmachen, desto wirkungsvoller wird die Aktion!


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Sehr geehrte Frau Merkel,


in unserem offenen Brief haben wir Sie gefragt, wie Ihre Strategie in der NSA-Affäre aussieht. Der Brief wurde dem Kanzleramt übergeben. Man hat uns zugesagt, dass sich die „zuständigen Experten“ damit befassen.

Eine Reaktion ist nicht erfolgt. Daraus schließe ich, dass der NSA-Affäre noch immer nicht die notwendige Bedeutung zugemessen wird.

Deshalb schicke ich Ihnen heute einen Auszug aus der Rede, welche die brasilianische Präsidentin Dilma Rousseff am 24.9.2013 vor der Generalversammlung der Vereinten Nationen gehalten hat.

Ich schlage vor, dass Sie sich den Forderungen von Frau Rousseff öffentlich anschließen. Alles, was Frau Rousseff sagt, gilt genauso aus deutscher Sicht.

Ich wünsche eine inspirierende Lektüre.

Mit freundlichen Grüßen


(Name)


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30IX13 



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