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Doris L. Bergen, Anna Hájková, Andrea Löw

Warum eine Alltagsgeschichte des Holocaust?



 

Andrea Löw, Doris L. Bergen, Anna Hájková(Hrsg.)

 

Alltag im Holocaust

Jüdisches Leben im Großdeutschen Reich 1941-1945

Schriftenreihe der Vierteljahreshefte für Zeitgeschichte, Bd. 106

265 S., geb. € 24,80.

Oldenbourg Verlag, ISBN 978-3-486-70948-3






Jahrzehntelang konzentrierte sich die Holocaustforschung auf die dramatischen, die 'großen' Momente: die Entscheidung für den Völkermord, die Rekonstruktion der Tatvorgänge oder die Widerstandsaktivitäten der Opfer. Zwar fanden Aspekte der Sozial- und Alltagsgeschichte durchaus Eingang in die NS-Forschung, doch konnte man sich lange nicht vorstellen, dass solche Ansätze auf die Erforschung des Holocaust übertragen werden könnten. Zu groß erschien die Angst, dadurch die Verfolgungssituation zu trivialisieren, zu dominant die Wahrnehmung, dass es etwas wie Alltag in dieser extremen Situation nicht gegeben haben könne. In den letzten Jahren ist hier eine Wende zu beobachten: Es sei nicht nur möglich, sondern man müsse vielmehr, so inzwischen die Auffassung vieler Forscherinnen und Forscher, die Kontinuitäten, die trotz dieser extremen Brüche vorhanden waren, ja das mitunter Alltägliche im Leben Einzelner und gesellschaftlicher Gruppen erforschen. So wird die Alltagsgeschichte der jüdischen Bevölkerung zu einem integralen Bestandteil der komplexen Geschichte des Holocaust. Die Verfolgten geraten damit nicht als passive Opfer, sondern als handelnde Individuen in den Blick, die selbst versuchten, etwas wie Alltag, eine Normalität in dieser anormalen Welt, zu organisieren.1 Sie trafen Entscheidungen, ihr Leben war mitnichten nur ein abstrakter Überlebenskampf, auf den die auf die Täter konzentrierte Historiografie es häufig reduziert hat.2 Es geht in diesem Band also nicht nur um das Sterben der deutschen, österreichischen und tschechischen Juden, sondern gerade auch um ihr Leben seit dem Beginn der systematischen Deportationen im Herbst 1941. Diese markieren nach dem Überfall auf die Sowjetunion und den damit einsetzenden Massenmorden einen weiteren Schritt im Prozess der Vernichtung zunächst bestimmter Gruppen, später potenziell aller Juden. Die meisten Juden, die im Herbst 1941 deportiert wurden, lebten noch eine Zeit lang in osteuropäischen Ghettos – manche von ihnen wurden jedoch bereits 1941 unmittelbar nach ihrer Ankunft in Kaunas oder Riga ermordet. Vielen war anfangs unklar, was die Transporte konkret bedeuteten, eine große Unsicherheit prägte das Leben der Menschen, die seit Herbst 1941 im Schatten der Deportationen lebten. Vieles von dem, was den jüdischen Alltag auch in dieser Phase prägte, war allerdings die Konsequenz der ersten Jahre der NS-Verfolgung in Deutschland: Strukturen waren geschaffen, die wichtigsten der anti-jüdischen Gesetze erlassen, jüdische Zwangsorganisationen ins Leben gerufen worden, die soziale Exklusion, so treffend von Orlando Patterson und Marion Kaplan als „sozialer Tod“ beschrieben,3 war ebenso weit fortgeschritten wie Verschiebungen und Anpassungen innerhalb der Opfergruppe, aus der zunehmend eine Gemeinschaft geworden war. Daher nehmen einige der Autoren in diesem Band auch die Zeit vor Oktober 1941 mit in den Blick.

Juden hatten, dies wurde den Machthabern, aber auch Beobachtern und der jüdischen Bevölkerung selbst, seit dem Sommer 1941 immer klarer, keine Zukunft im deutschen Machtbereich. Sie würden verschwinden, auf welche Art und Weise auch immer. Die Wendung von der „Lösung der Judenfrage“ erfuhr allmählich eine Bedeutungsverschiebung.

Anfangs hatte sie zumeist für eine territoriale Lösung durch Vertreibung an die Peripherie oder gänzlich außerhalb des deutschen Herrschaftsbereichs gestanden, doch mit der Ausbreitung der Massenmorde und dem Wissen darüber in immer weiteren Kreisen der Bevölkerung verbreitete sich ein Gefühl dafür, dass die meisten Juden so gut wie tot waren, dass mit ihnen zumindest nicht mehr gerechnet werden musste. Diese Ahnung machte die „systemische Gewalt“, die Mary Fulbrook in ihrem Beitrag beschreibt, erst möglich.

Und wie Magda Veselská zeigt, führte diese Ahnung dazu, dass beispielsweise Kirchenmänner versuchten, sich Synagogen oder andere Gebäude anzueignen, da Juden in Böhmen und Mähren diese ohnehin nicht mehr lange benötigen würden. Es gab in dieser Perspektive schon bald keine Juden mehr in der Synagoge.

Es geht in diesem Band vor allem um die Frage, wie die jüdische Bevölkerung in dieser extremen Verfolgungssituation reagierte, wie sie ihr Leben gestaltete, wie die Gesellschaft sich veränderte und was von ihren Vorkriegsnormen und -ordnungen erhalten blieb. Wie traten Menschen ihren Verfolgern und auch Nachbarn gegenüber, für die es normal, nahezu eine Routine geworden war, Gewalt auszuüben und von ihr auch zu profitieren?

Wann wurde einzelnen Juden, aber auch den Institutionen im und außerhalb des Reichs klar, dass jüdisches Leben in Europa keine Zukunft haben sollte? Die Interpretation der zunehmenden Exklusion und Verfolgung seitens internationaler jüdischer Hilfsorganisationen änderte sich im Laufe des Kriegs, wie Susanne Heim zeigt: Sie versuchten zunächst einzugreifen, begannen dann aber resigniert darüber nachzudenken, was es bedeutete, dass es nach Kriegsende keine Juden in Europa mehr geben würde. Sie fingen an, für diese veränderte Zukunft zu planen.

Mit den Methoden und Konzepten, die die Pioniere der Alltagsgeschichte, so etwa Alf Lüdtke,4 entwickelt haben, ist es möglich zu analysieren, wie Menschen unter den Bedingungen der Verfolgung und der ständigen Konfrontation mit dem Tod versuchten, ihre Situation zu erfassen und sich insofern anzueignen, als sie ihr Leben neu organisierten und selbst Einfluss auf ihre Lage nahmen. Die Arbeiten Saul Friedländers mit seiner integrativen Geschichte der Judenverfolgung waren wegweisend für die weitere Forschung mit einem Fokus auf die Opfer, deren Handlungsspielräume und wie sie diese nutzten.5

Ebenso sind die politischen Dimensionen sowie Machtstrukturen innerhalb der jüdischen

Gemeinschaft besser zu erkennen, so beispielsweise die Spielräume der jüdischen Funktionäre gegenüber der Gestapo, oder wie sich die komplizierten Beziehungen zwischen ökonomischem Kapital (Zugang zu materiellen Resourcen), Alter und ethnischer Zugehörigkeit etwa in Theresienstadt auf die Machtstrukturen auswirkten.

„When we examine something in great detail and at close range, do we understand it better?“ – so fasste der Frühneuzeithistoriker Brad Gregory 1999 die zentrale Frage nach der Legitimität der Alltagsgeschichte zusammen.6 Der vorliegende Band soll diese Frage mit einem klaren Ja beantworten. Der alltagsgeschichtliche Zugang rückt die Wahrnehmungen, Handlungsspielräume und Reaktionen der Verfolgten, aber auch ihre Interaktion mit der übrigen Bevölkerung ins Zentrum. Wir verstehen Alltagsgeschichte als eine analytische Geschichte von unten, die sich den Mentalitäten und Handlungsweisen, der Kultur und den Interaktionen der einfachen Leute widmet, aber auch die Reaktionen der leitenden Funktionäre erfragt. Der Alltagshistoriker ist immer auch ein historischer Anthropologe, der die vergangene Ära nach ihrer Logik und Handlungsmustern untersucht.7

Unsere Alltagsgeschichte der Judenverfolgung bezieht die zentralen Faktoren des Geschlechts, der Klasse und der Generationen sowie des kulturellen und geografischen Hintergrunds in die Analyse ein.

Eine zentrale Perspektive für einen alltagsgeschichtlichen Zugang der Geschichte von Juden im nationalsozialistischen Deutschland ist Gender. In mehreren Publikationen hat vor allem Marion Kaplan Frauen aus dem deutsch-jüdischen Bürgertum untersucht und gezeigt, wie deren Rolle sich unter den neuen Bedingungen radikal änderte und sie in vielen Fällen zu den Ernährern und zum Rückhalt ihrer Familien wurden. Indem sie die Rolle jüdischer Frauen untersucht, analysiert sie zugleich die Beziehungen und Interaktionen zwischen Männern, Frauen und Kindern, zwischen Juden und Nicht-Juden, und damit den „sozialen Tod“ der deutschen Juden in seiner ganzen Bedeutung.8 Auf unterschiedliche Art und Weise und in unterschiedlichem Ausmaß nehmen viele Artikel in diesem Band Genderaspekte in den Blick und zeigen, wie sehr Menschen, auch und vor allem unter den Bedingungen extremer Gewalt, nicht nur bloße Individuen sind: Sie sind Jungen und Mädchen, Frauen und Männer, Teile von Paaren, Familien und Gruppen; sie sind von formellen und informellen Definitionen und Erwartungen geprägt.9

Beate Kosmalas Artikel über die Entscheidung von Frauen, in Berlin in den Untergrund zu gehen, legt nahe, dass das Geschlecht in bestimmten Situationen durchaus einen Unterschied machen konnte.

Makro- und Mikroperspektive werden in diesem Band zusammengeführt. Mehrere Bei-

träge untersuchen die Entwicklung an einzelnen Orten, aber auch innerhalb kleiner sozialer Gruppen. Doch ist dies stets in einem größeren Zusammenhang zu sehen: Lisa Peschel untersucht vordergründig drei Theaterstücke aus Theresienstadt, doch beleuchtet sie damit Zugehörigkeiten und Loyalitäten, sie analysiert Identitäten von Menschen, die in Theresienstadt einzig aufgrund der von den Nationalsozialisten vorgenommenen Definition zusammenleben mussten, und Kontinuitäten zum Leben der Akteure vor dem Krieg. Großen Einfluss auf diesen Band haben auch die Arbeiten von Beate Meyer. In ihrer Studie über Mischehen und „Mischlinge“ hat sie gezeigt, wie man die Makro- mit der Mikroebene sinnvoll verbinden kann.10 Meyer stellte dar, wie sich die NS-Verfolgung auf der Kleinstebene der Gesellschaft, der Familie, in Fällen der Mischehen auswirkte: Die „Festung Familie“ hielt oft nicht stand. In ihrer Analyse weit gefächerter Quellengattungen von Vaterschaftsklagen über Abstammungsverfahren und Oral-History-Interviews konnte Meyer die Muster des sozialen Ausschlusses der letzten Juden im Reich – Mischehenpartner und „Mischlinge“ – im Leben konkreter Menschen aufzeigen.

Manche Fragestellungen sind vor allem integrativ gewinnbringend anzuwenden, andere wiederum versprechen mehr Erkenntnis, wenn man Gemeinschaftsdynamiken als solche erkennt und die neu erschaffene „jüdische“11 Gruppe in sich untersucht. Wie die Beiträge im vorliegendem Sammelband zeigen, wurden die als Juden Abgestempelten durch soziale Exklusion und dann vor allem durch ihre Deportationen zu einer Gruppe, die als solche zu untersuchen sinnvoll ist. Maria von der Heydt und Michaela Raggam-Blesch verdeutlichen in ihren Beiträgen über„Geltungsjuden“ und „Mischlinge“ den konstruierten Charakter der NS-Rassenideologie und wie verwirrend die Definitionsversuche und Unklarheiten im Umgang mit den so klassifizierten Menschen für diese waren. Gerade bei Mischlingen geht es um Menschen, denen, aus der Perspektive der „Endlösung“ her betrachtet, „nichts geschah“: Die meisten haben überlebt.


Sprache, Kultur und Herkunft

„Geltungsjuden“, „Mischlinge“, „Arier“ – die Untersuchung von Gruppen, die von den

Nationalsozialisten als „Juden“ ausgegrenzt wurden, bringt immer auch sprachliche Probleme mit sich. Wie kann man über Gruppen schreiben, die sich selbst nie als eine solche verstehen würden und keine eigene Bezeichnung dafür haben? Wir sind in unserer Analyse gezwungen, diese Tätersprache zu nutzen.12 Doch mit dem hier praktizierten Zugang können wir zugleich herausarbeiten, welche Auswirkungen die Erfahrung der Ausgrenzung auf die Sprache der Verfolgten hatte und mit welchen sprachlichen Mitteln sie wiederum versuchen, diese Erfahrung zu vermitteln.13 Richard Lutjens widmet seinen Beitrag den Narrativen untergetauchter Juden, erzählt entlang ihrer Erinnerungen detailliert vom Alltag derjenigen, die in der Illegalität überlebt haben. Oftmals muss genau hinter standardisierte Narrative geblickt werden, um das jeweils extrem individuelle Schicksal zu erkennen. Hier zeigt sich direkt ein weiteres sprachliches Problem: Wir reden von Juden, die „in der Illegalität“ überlebt haben. Und dies ist auch die Wortwahl derjenigen, die darüber berichten.

Alltagsgeschichte hat einen dezidierten Fokus auf das Politische; sie entdeckt es allerdings in neuen Zusammenhängen. Alltagshistoriker haben darauf hingewiesen, das Politische sei im Alltag jenseits von staatlichen Strukturen zu erkennen. Das Beklagen der ausbleibenden Butterrationen14 oder eine Denunziation, weil ein Moskauer Fabrikvorsteher 1937 den Kommunismus nicht ernst genug nahm: Beides sind Momente von politischer Aktivität und politischem Verständnis von Alltag.15 Alltägliche politische Handlungen können sowohl Subversionen der Staatsmacht als auch Komplizenschaft mit ihr bedeuten, wie Benjamin Frommer in seinem Artikel zeigt. Was könnte politischer sein als die Anschuldigung in einer Zeitung, dass der Hundezüchter-Verband von Louny im Protektorat Böhmen und Mähren in einem Schaukasten ein Foto zeige, auf dem auch der Hund eines Juden zu sehen sei?


Von Anfang an standen auch kulturelle Fragen im Fokus alltagshistorischer Betrachtungen. Wir können Kulturen vergangener Zeiten erforschen, indem wir die vielen kleinen, selbstverständlich erscheinenden Gesten und Interaktionen und auch bekannte Quellen gegen den Strich lesen, eben nicht als Selbstverständlichkeit ansehen. So untersucht Dieter Hecht das Alltagsleben der Zwillinge Ilse und Kurt Mezei und ihres Freundeskreises in Wien und diskutiert Fragen nach Ausbildung, Arbeit, Freizeit, Liebe und Religion. Anna Hájková analysiert die Sichtweise und Kultur der alten, ehemals bürgerlichen städtischen deutschen Juden, die geradezu idealtypische Repräsentanten dessen waren, was uns als deutsches Bürgertum des wilhelminischen Deutschlands und der Weimarer Republik bekannt ist.

Sprache, Kultur, Herkunft – all dies ist direkt verbunden mit der räumlichen Dimension des Holocaust. Zunächst: Es machte einen Unterschied, von wo aus jemand wohin deportiert wurde. Manche Transporte deutscher Juden wurden seit dem Herbst 1941 an Orte geleitet, wo die Menschen direkt nach ihrer Ankunft ermordet wurden. Andere Deportierte wiederum kamen in Ghettos, wo sie zumindest eine Weile leben, manche gar überleben konnten. In den Ghettos, in denen deportierte Juden nicht sofort ermordet wurden, war die kulturelle und ethnische Herkunft bedeutsam für die Stellung innerhalb der Gesellschaft. So verdeutlichen die Beiträge von Anna Hájková und Silvia Goldbaum Tarabini Fracapane, dass Sprache, Ethnizität und kulturelle Zugehörigkeit dominante Faktoren innerhalb der Zwangsgemeinschaft darstellten.

Dieser Sammelband widmet sich den Entwicklungen im Großdeutschen Reich und damit einem enorm großen Raum, der sich im Laufe der Zeit durch Annexionen noch vergrößerte. Alltagsgeschichte verdeutlicht die zentrale Bedeutung von Orten, besonders für diejenigen, die nirgends mehr einen solchen hatten. Deportierte Juden verloren ihre Heimat, sie wurden an einen ihnen fremden Ort gebracht, an dem sie sich ein zumindest temporäres Leben organisieren mussten.16 Für diejenigen Juden, die dieser Deportation dadurch entgehen wollten, dass sie untertauchten, gab es ebenfalls keinen Platz mehr. Richard Lutjens und Beate Kosmala zeigen in ihren Beiträgen, was es hieß, von Ort zu Ort wandern zu müssen, um nicht entdeckt zu werden. Die untergetauchten Juden wollten der Deportation – was im Laufe der Zeit häufig einen Euphemismus für Mord darstellte – entgehen, doch dachten dann viele von ihnen in ihrer Verzweiflung darüber nach, sich selbst das Leben zu nehmen.

Maura Hametz widmet ihren Beitrag der Hafenstadt Triest, die seit September 1943 in der deutschen Operationszone Adriatisches Küstenland dem berüchtigten Odilo Globocnik unterstand, der zuvor in Lublin für die Organisation und Durchführung der Aktion Reinhardt verantwortlich gewesen war. Hametz beginnt ihre Analyse der dortigen Entwicklung mit einem Gedicht eines italienischen Juden aus Triest, dem Dichter Umberto Saba, aus dem Jahr 1944, das die Bedeutung von Heimat und deren Verlust noch einmal unterstreicht: „Ich hatte eine schöne Stadt zwischen den felsigen Bergen und dem leuchtenden Meer [… Sie] haben mir alles genommen […].“17

Amos Goldberg hat auf die Gefahr aufmerksam gemacht, die mit einer inflationären Einbeziehung und damit Popularisierung der Opferstimme einhergehen könne, nämlich dass sie im Leser oder Zuhörer potenziell eine melodramatische Ästhetik erzeuge.18 Hieraus ergibt sich die zentrale Notwendigkeit, an die Stelle bloßer Betroffenheit im Wissen um das Schicksal der jüdischen Bevölkerung während des Zweiten Weltkriegs eine genaue Analyse treten zu lassen. Der Gefahr einer Sentimentalisierung kann auch die Untersuchung marginalisierter Opfer entgegenwirken. Indem wir die Exklusionsmechanismen innerhalb der verfolgten Gesellschaft untersuchen, so etwa im Fall von jüdischen Frauen, die sich mit sexuellem Austausch vor dem Verhungern zu schützen versuchten,19 Bettlern, „Geltungsjuden“ und „Mischlingen“, die sich bemühten, ihre Abstammung zu verschleiern. All diese Menschen sind Teil der Geschichte des Holocaust und bieten sich sicherlich nicht für ein melodramatisches Narrativ an. Der Eigensinn der doppelt – rassisch und sozial – Stigmatisierten, ihr Streben nach Autonomie, ihre Bemühungen, an Ressourcen zu gelangen, um eine Rückkehr in eine normale Gesellschaft, die doch längst nicht mehr normal ist, erklärt ebenso viel über die Marginalisierten wie auch über die Normen der sie ausschließenden Gesellschaft.

Zwei Forscher haben demonstriert, wie es die Analyse schärfen und Sentimentalitäten vermeiden helfen kann, wenn marginalisierte Gruppen in den Fokus rücken. Barbara Engelking und Jan Grabowski analysieren die „Kriminellen“ im Warschauer Ghetto, es geht um Prostitution, Schwarzmarkthandel, Fälschung und Diebstahl.20 Engelkings und Grabowskis Buch ist umso wichtiger, als es mit dem gewohnten Narrativ über „unschuldige“ Opfer und somit mit alten Annahmen und Stereotypen über die Homogenität der Opfergruppe bricht. Wenn man sich der Perspektive der sonst als „unwürdig“ abgestempelten Akteure zuwendet, kann man eine wesentlich breitere Auffächerung innerhalb der Opfergruppe, ihre unterschiedlichen Handlungsoptionen und wie sie diese aktiv nutzten, erkennen.


Quellen

Die Quellen zur Untersuchung des Alltags sind zugleich überall und nirgends. Wie Beate

Kosmala es in ihrem Beitrag beschreibt, nutzt sie „diverse Textsorten, die mit unterschiedlichem zeitlichen Abstand zum Geschehen entstanden“. Dies klingt banal, ist es aber mitnichten. Die Aufsätze in diesem Sammelband stützen sich auf eine Vielzahl persönlicher Quellen wie Interviews, Tagebücher, Briefe, veröffentlichte und unveröffentlichte Erinnerungsberichte und Memoiren. Der Umgang mit Oral History, die lange ein zentrales Instrument der deutschen Alltagsgeschichte war, kennzeichnet einen weiteren Einschnitt, der sich in unserem Band widerspiegelt. Da es inzwischen immer weniger Zeitzeugen gibt, sind selbst durchgeführte Interviews auch bei unseren Autoren nur noch selten – Lisa Peschel oder Silvia Goldbaum Tarabini Fracapane sind hier zu nennen. Die Interviews anderer, früherer Projekte werden so zum Text. Doch auch Quellen, die man nicht sofort mit Alltagsgeschichte assoziieren würde, bilden die Grundlage der Beiträge: offizielle Regierungsdokumente, Zeitungen, Akten verschiedener Organisationen. Von besonderer Bedeutung sind die Dokumente jüdischer Organisationen, sowohl innerhalb des Großdeutschen Reichs, die zeigen, wie deren Vertreter versuchten, jüdisches Leben zu organisieren, als auch international, besonders jene des American Jewish Joint Distribution Committee und des Jüdischen Weltkongresses.21

Der große Holocaustforscher Raul Hilberg hat seine Forschungsmethode auf eine Art und Weise beschrieben, die jedem Alltagshistoriker bekannt vorkommen dürfte. Ein Forscher, so betonte er, müsse überall hinschauen: „You cannot skip anything: you cannot omit any place or organization.“22 Hilberg hat die Aufmerksamkeit darauf gelenkt, wie wichtig Tagebücher aus den Ghettos als Quelle sind,23 und beispielsweise darauf, dass Ironie unter Juden weitverbreitet war, „und sie verschwand nicht einmal in der Stunde der Vernichtung“.24 Er drängte Forscher dazu, neue Bereiche zu erkunden und sich auch tabuisierten Themen zuzuwenden. Er bestand darauf, dass Forscher auch die schwierigen Fragen stellen müssen und dass wir nach den Antworten in allen Quellen suchen müssen, die wir finden können.25 Seine Zusammenfassung dieser Antworten enthält eine zentrale Einsicht auch in den vorliegenden Band: „Überall, wo ich hinsah, tauchte die Sehnsucht nach dem Vertrauen, dem Gewohnten, dem Normalen als Leitmotiv auf.“ Menschen wollten, so Hilberg, „in ihren alltäglichen Gewohnheiten Stabilität und besonders das innere Gleichgewicht wahren. Ob nun Täter, Opfer oder Zuschauer: Sie alle wollten ihre Stetigkeit und Fassung bewahren.“26

Die Wurzeln einer Alltagsgeschichte des Holocaust gehen jedoch noch viel weiter zurück, sie liegen bei den zeitgenössischen Beobachtern, Chronisten und Interpreten. Emanuel Ringelblum und seine Mitstreiter sind einen solchen Weg bereits im Warschauer Ghetto gegangen. Die Gruppe Oneg Schabbat hat Fragen gestellt und Themen bearbeitet, für deren Entwicklung die Historiografie nach dem Krieg lange gebraucht hat. Oneg Schabbat bemühte sich um eine sachliche Analyse gerade der komplizierten Themen – die Prinzipien der Dokumentensuche und der Darstellung bezeichnete Ringelblum als „Allseitigkeit“ und „Objektivität“27 –, wie den innerjüdischen Konflikten, der Handlungsweise der Judenräte und Mitglieder des Ordnungsdiensts, aber auch von Bettlern und Dieben. Die Mitarbeiter haben beispielsweise Frauen, die im Ghetto als Prostituierte ihren Unterhalt verdienten, interviewt, was ein ganz neues Licht auf die Frage nach der Legitimität solcher Themen wirft. Im Untergrundarchiv des Warschauer Ghettos wurden Dokumente zur Erforschung nahezu sämtlicher Aspekte des Lebens und Sterbens der polnischen Juden gesammelt und produziert. Ringelblum und seine Kollegen strebten eine große Gesamtdarstellung der Geschichte der polnischen Juden während des Kriegs mit vielfältigsten Themen an; es sollte auch eine Sozialgeschichte des Ghettos entstehen. Aber nicht nur das: Ringelblum und sein Team waren darüber hinaus an den Interaktionen zwischen Juden und Nichtjuden interessiert, sie verstanden also die jüdische Geschichte als Bestandteil einer breiteren Sozialgeschichte.


Die Beiträge

Die Aufsätze sind so angeordnet, dass sie in geografischer Hinsicht die territoriale Expansion des nationalsozialistischen Deutschlands widerspiegeln, und damit die Erweiterung der Judenverfolgung und die globale Dimension des Holocaust. Von Berlin und dem „Altreich“ wird der Blick auf Österreich geweitet, dann auf die Gebiete, die nach der Einverleibung der Tschechoslowakei, dann nach dem Angriff auf Polen, der Invasion in Dänemark und dem Fall Mussolinis in den deutschen Machtbereich gelangten. Das letzte Kapitel nimmt die weiteste Perspektive ein, indem es internationale jüdische Hilfsorganisationen untersucht.

Die Reichsvereinigung der Juden in Deutschland war ebenso wie die Israelitische Kultusgemeinde in Wien und die Jüdische Kultusgemeinde in Prag gezwungen, an der Organisation der Deportation von Juden aus dem Reich mitzuwirken. Beate Meyer untersucht, wie sich der „Dienstalltag“ ihrer Mitarbeiter gestaltete und welchen Änderungen er mit dem Beginn der Deportationen unterlag. Sie geht aber auch der Frage nach, wie sie die deutschen Anordnungen umsetzten und wie darauf die jüdische Bevölkerung reagierte. Die Mitarbeiter der Reichsvereinigung handelten, so Beate Meyer, gemäß der traditionellen Verwaltung, die ihnen aus der Weimarer Zeit vertraut war, und hofften,

ihr Gegenüber fühle sich derartigen Regeln auch verpflichtet. Indem die Funktionäre deutsche Anordnungen umsetzten und damit auch die Deportationen mit organisierten, entstand eine tiefe Kluft zwischen ihnen und großen Teilen der jüdischen Bevölkerung.

Manche Juden widersetzten sich den Anordnungen, die sie mittels der Reichsvereinigung erreichten. Ungefähr 1.700 Jüdinnen und Juden überlebten in Berlin im Versteck oder unter Annahme einer falschen Identität. Zwei Aufsätze widmen sich diesen untergetauchten Juden. Beate Kosmala analysiert die Bedeutung des Schritts in die Illegalität mit dem Schwerpunkt auf der Lage jüdischer Frauen. Ausgehend von den Selbstzeugnissen überlebender Frauen, zeichnet sie die Entschlussbildung der Jüdinnen nach und wie sie damit gezwungen waren, alles hinter sich zu lassen, was ihr bisheriges Leben, ihre soziale Existenz, ausgemacht hatte. Diese Erfahrung hatte auch Auswirkungen auf die Sprache der Menschen. Richard Lutjens widmet seinen Beitrag den Narrativen Überlebender, erzählt entlang ihrer Erinnerungen detailliert vom Alltag der untergetauchten Juden, von der Notwendigkeit, immer wieder das Versteck zu wechseln, und von Konflikten mit den Helfern.

Andere mussten nicht untertauchen, um der Deportation zu entgehen, konnten sich jedoch nie sicher sein, ob ihr Verbleib im Reich nur ein temporärer sein würde. Über das Schicksal der „Mischlinge“ und „Geltungsjuden“ waren sich auch die deutschen Machthaber nicht einig. Maria von der Heydt und Michaela Raggam-Blesch zeigen, wie stark das Leben der so klassifizierten Menschen von ständiger Angst und Ungewissheit geprägt war.

Zudem saßen die „Geltungsjuden“ und „Mischlinge“ zwischen allen Stühlen, durften nicht „Arier“ sein, doch zur jüdischen Gemeinschaft gehörten sie auch nicht und wurden hier häufig nicht akzeptiert. Beide Autorinnen stellen die Biografien von „Geltungsjuden“ und, so Raggam-Blesch am Beispiel der Stadt Wien, sowohl von diesen als auch von „Mischlingen“ ins Zentrum. Aus deren Erinnerungen wird die Widersprüchlichkeit der Erfahrungen und der komplizierte Alltag sehr deutlich.

Eine dichte Untersuchung eines jungen Freundeskreises von jüdischen Wienern präsentiert Dieter Hecht. Am Beispiel von Ilse und Kurt Mezei, deren Tagebücher überliefert sind und als Quelle im Zentrum des Beitrags stehen, und ihrer Freunde untersucht er das Leben von jüdischen Jugendlichen unter dem NS-Regime. Diese entwickelten besondere Strategien, um sich einen Alltag zu schaffen, Strategien, die einen Balanceakt zwischen altersbedingten Bedürfnissen und der durch die Verfolgung geprägten Situation bedeuteten. Dinge, die im Leben Jugendlicher auch in anderen Zeiten von Bedeutung sind, wurden in den Verfolgungsalltag integriert. So spielten Liebe und Freundschaft auch in der Gefahrensituation eine zentrale Rolle.

Mary Fulbrook analysiert das Leben der Juden im ost-oberschlesischen Bendzin und die Intentionen und Handlungsweisen der Deutschen vor Ort, der Ausführenden der Besatzungs- und Verfolgungspolitik. Sie zeigt auf, dass unter der Ebene der offensichtlichen Täter, die direkte Gewalt ausübten, eine Machtstruktur existierte, von der die jüdische Bevölkerung gar nicht viel mitbekam, die sie aber ganz unmittelbar betraf. Fulbrook konzentriert sich auf die Jahre der Ghettoisierung und stößt auf ein Problem, das für den gesamten Band zentral ist: In den Erinnerungen Überlebender nehmen traumatische, brutale Ereignisse zumeist einen großen Raum ein, weniger werden die langen Phasen zwischen den Gewaltaktionen, also das alltägliche Leben unter der Verfolgung, thematisiert.


Die böhmischen und mährischen Juden, die im März 1939 unter deutsche Herrschaft gerieten, waren in hohem Maße assimiliert. Die antijüdische Gesetzgebung, die diese Gemeinschaft rasch ebenso stark ausgrenzte wie diejenige im „Altreich“ und in Österreich, ist gut erforscht. Wie diese jedoch rezipiert wurde und wie die Praxis der Isolierung im Protektorat Böhmen und Mähren aussah, untersucht Benjamin Frommer. Tschechische Offizielle von den Ministerien bis hinunter auf die lokale Ebene spielten eine große Rolle bei der Errichtung des „Ghettos ohne Mauern“. Frommer wertet tschechische Zeitungen aus, in denen immer wieder Denunziationsbriefe gedruckt wurden. Das tschechische Innenministerium ging derartigen Anschuldigungen stets nach. Jeder dieser Briefe und Artikel trug zum „sozialen Tod“ der Juden im Protektorat bei.

Jüdische Gemeinden im Protektorat mussten ebenso wie die Reichsvereinigung das Leben unter der Verfolgung organisieren, aber auch bei der Umsetzung deutscher und tschechischer Anordnungen, also bei der eigenen Ausgrenzung und später der Deportation nach Theresienstadt mitwirken. Magda Veselská zeigt das Lavieren der Gemeinden zwischen den jeweiligen Mitgliedern, den deutschen Stellen vor Ort und der Kultusgemeinde in Prag, die der Prager Zentralstelle für jüdische Auswanderung verantwortlich war und keine andere Chance sah, als den Druck nach unten weiterzugeben. Veselská verdeutlicht, wie kompliziert es für die Mitarbeiter der Gemeinden war, das Leben im Protektorat zu organisieren, einen Alltag zu erhalten, ohne dabei zu sehr ins Zentrum der Kritik zu geraten.

Die meisten tschechischen Juden wurden über kurz oder lang nach Theresienstadt verschleppt, während es aus Deutschland und Österreich sowie anderen Ländern Ausnahmegruppen waren, die hierher kamen. Aus dem Deutschen Reich wurden neben Funktionären der Reichsvereinigung vor allem ältere Menschen nach Theresienstadt deportiert.

Anna Hájková analysiert die Rolle dieser älteren deutschen Juden im Ghetto. Diejenigen, die nicht weiter deportiert wurden oder im Ghetto starben, versuchten, ihren Platz in der Ghettogesellschaft zu finden, und interessierten sich trotz des Altersnachteils und der kulturellen Unterschiede rege für ihre neue Umgebung. Gleichzeitig hielten sie weiter an ihren kulturellen Codes als deutsche Bürgerliche fest. Obwohl alte deutsche Juden im Ghetto mit den ungünstigsten Voraussetzungen konfrontiert waren, erwiesen sie sich, so Hájková, als erstaunlich anpassungsfähig, offen und neugierig.

Silvia Goldbaum Tarabini Fracapane widmet sich den dänischen Juden in Theresienstadt. Diese tauchen in den Narrativen anderer Häftlinge stets als privilegierte, durch Pakete aus der Heimat gut versorgte Gruppe auf. In der Tat überlebten fast 90 Prozent der dänischen Juden. In ihrer Untersuchung der Erinnerungen Überlebender kann die Autorin jedoch zeigen, in welch hohem Maße dänische Juden hungerten, litten und erkrankten.

Die Selbstzeugnisse sind voller Beschreibungen von extremem Hunger, was noch einmal mehr verdeutlicht, wie schwierig die Lebensbedingungen insgesamt in diesem angeblich privilegierten Ghetto waren. Die Menschen in Theresienstadt entwickelten ein reges kulturelles Leben, das immer ein Produkt des sozialen, ethnischen, politischen und kulturellen Hintergrunds war. Lisa Peschel konzentriert sich vor allem auf die letzten drei Aspekte und zeigt in ihrer Analyse von drei Theaterstücken aus Theresienstadt, in welch hohem Maße diese als Narrative fungierten, die eine Kontinuität zur Vorkriegsidentität der Autoren und Mitwirkenden darstellten und ihre Zugehörigkeit zu einer bestimmten Gemeinschaft – einer Gemeinschaft, die nicht von den Nationalsozialisten nach rassistischen Kriterien festgelegt worden war.

Maura Hametz richtet den Blick in eine ganz andere Region, auf Triest. Da die Geschichte von Juden in Triest nur wenigen Spezialisten bekannt ist, berichtet Hametz in ihrem Aufsatz sowohl über die Vorgeschichte als auch vom jüdischen Leben unter deutscher Besatzung; und damit auch vom Sterben, kulminierten Globocniks Aktivitäten doch in der Errichtung des Lagers Risiera di San Sabba, dem einzigen Lager mit Krematorien auf italienischem Boden.

Die Juden unter deutscher Besatzung hofften auf Hilfe von außen. Am Ende des Bandes schlägt Susanne Heim den Bogen in die freie Welt, stellt die Reaktionen und Rettungsversuche jüdischer Organisationen außerhalb des deutschen Machtbereichs dar. Letztlich geriet auch die Politik dieser internationalen Organisationen in eine Sackgasse, auch ihnen blieben kaum Optionen. Und so spiegelt sich in den Bemühungen dieser Organisationen die ausweglose Lage der jüdischen Repräsentanten im Deutschen Reich wider.


Dank

Dieser Band präsentiert die Ergebnisse eines von der University of Toronto und dem Institut für Zeitgeschichte organisierten Workshops, der im November 2010 in Berlin stattfand. Er knüpfte an den Workshop „Jüdische Perspektiven auf die Jahre der ‚forcierten Auswanderung‘ bis zur Ghettoisierung und Deportation der Juden aus dem Deutschen Reich (1938/39 bis 1941)“ an, den Beate Meyer, Susanne Heim und Anna Hájková im Mai 2009 in Hamburg veranstaltet hatten.28

An den spannenden und fruchtbaren Diskussionen in Berlin haben sich neben den Autorinnen und Autoren Y. Michal Bodemann, Christoph Dieckmann, Imke Hansen, Marion Kaplan, Monika Richarz, Mark Roseman, Peter Schöttler, Stefanie Schüler-Springorum, Martina Voigt und Nancy Wingfield als Kommentatoren beteiligt.29 Dafür möchten wir ihnen sehr herzlich danken, manch wertvoller Gedanke in den Aufsätzen geht auf sie zurück.Der Workshop fand in der Berliner Abteilung der University of Toronto statt. Dafür und für ihre große Hilfe vor, während und nach der Veranstaltung sind wir Y. Michal Bodemann, Tim Kremser und Anika Schulz sehr dankbar.

Der Workshop wurde großzügig gesponsert von der Fondation pour la Mémoire de la Shoah, der Gerda Henkel Stiftung, der Axel Springer Stiftung und dem Institut für die Geschichte der deutschen Juden. Für diese Unterstützung, die das ganze Unternehmen Geschichte der deutschen Juden. Für diese Unterstützung, die das ganze Unternehmen erst möglich gemacht hat, danken wir sehr herzlich. Für die Finanzierung der Übersetzungen danken wir dem Institut für Zeitgeschichte

München – Berlin und dem Chancellor Rose and Ray Wolfe Chair in Holocaust Studies der University of Toronto. Den Herausgebern der Vierteljahrshefte für Zeitgeschichte sind wir zu Dank für die Aufnahme in die Schriftenreihe der Vierteljahrshefte für Zeitgeschichte verpflichtet, außerdem danken wir den Redakteuren der Reihe, Johannes Hürter und Jürgen Zarusky, für ihre vielfältige Hilfe sowie Angelika Reizle für ihre Unterstützung dabei, das Manuskript auch formal in einen ansprechenden Zustand zu bringen; außerdem haben Katja Klee und Stefan Messingschlager das gesamte Manuskript sorgfältig korrigiert. Die Übersetzungen aus dem Englischen stammen von Hermann Graml und Pascal Treers.


Anmerkungen

1 Den Beginn setzten u. a. zwei Monografien von 2006: Alexandra Garbarini, Numbered Days: Diaries and the Holocaust, New Haven 2006; Andrea Löw, Juden im Getto Litzmannstadt. Lebensbedingungen, Selbstwahrnehmung, Verhalten, Göttingen 2006. Vgl. auch Renée Poznanski, Jews in France during World War II, Hanover 2001 (Original 1994) und Barbara Engelking/Jacek Leociak, The Warsaw Ghetto: A Guide to the Perished City, New Haven/London 2009 (Original 2001).

2 Elissa Mailänder Koslov in Forum: Everyday Life in Nazi Germany, in: German History 27 (2009), No. 4, S. 560–579, hier S. 577.

3 Orlando Patterson, Slavery and Social Death: A Comparative Study, Cambridge, Mass. 1985; Marion A. Kaplan, Between Dignity and Despair: Jewish Life in Nazi Germany, New York 1998, S. 5 und 235–239.

4 Vgl. Alf Lüdtke (Hrsg.), Alltagsgeschichte. Zur Rekonstruktion historischer Erfahrungen und Lebensweisen, Frankfurt a. M. u. a. 1989; ders., Eigen-Sinn. Fabrikalltag, Arbeitererfahrungen und Politik vom Kaiserreich bis in den Faschismus, Hamburg 1993.

5 Vgl. besonders Saul Friedländer, Das Dritte Reich und die Juden, Band 1: Die Jahre der Verfolgung 1933–1939, München 1998, Band 2: Die Jahre der Vernichtung 1939–1945, München 2006.

6 Brad Gregory, Is Small Beautiful? Microhistory and the History of Everyday Life, in: History and Theory 38 (1999), No. 1, S. 100–110, hier S. 100.

7 Vgl. auch die Übersicht bei Paul Steege/Andrew Stuart Bergerson/Maureen Healy/Pamela Swett, The History of Everyday Life: A Second Chapter, in: The Journal of Modern History 80 (2008), No. 2, S. 358–378, hier S. 362 und Elissa Mailänder Koslov/Paul Steege/Dennis Sweeney/Andrew Stuart Bergerson, Forum: Everyday Life in Nazi Germany, in: German History 27 (2009), No. 4, S. 560–579.

8 Kaplan, Dignity.

9 Vgl. Doris L. Bergen, What Do Studies of Women, Gender, and Sexuality Contribute to Understanding the Holocaust?, erscheint in: Myrna Goldenberg/Amy Shapiro (Hrsg.), Different Horrors, Same Hell, Seattle 2013; vgl. auch Dagmar Herzog (Hrsg.), Brutality and Desire: War and Sexuality in Europe’s Twentieth Century, Houndmills, Basingstoke 2009.

10 Beate Meyer, „Jüdische Mischlinge“. Rassenpolitik und Verfolgungserfahrung 1933–1945, Hamburg 1999.

11 Tim Cole hat vorgeschlagen, angesichts der Heterogenität der als Juden Verfolgten, deren einziges vereinigendes Merkmal die NS-Bezeichnung als Juden war, den Begriff in Anführungszeichen zu benutzen: Holocaust City: The Making of a Jewish Ghetto, New York 2003, S. 44.

12 Eine frühe Analyse der NS-Sprache findet sich bei Henry Friedlander, The Manipulation of

Language, in: Ders./Sybil Milton (Hrsg.), The Holocaust: Ideology, Bureaucracy, and Genocide, Millwood 1980, S. 103–113. Vgl. auch Victor Klemperer, LTI – Lingua Tertii Imperii: Notizbuch eines Philologen, Berlin 1947 und Thomas Pegelow Kaplan, The Language of Nazi Genocide: Linguistic Violence and the Struggle of Germans of Jewish Ancestry, New York 2009.

13 Vgl. Andrea Löw, Die Erfahrung der radikalen Ungleichheit. Vom sprachlichen Umgang mit dem Gettoleben in Litzmannstadt (£Eœ), in: Nicole Kramer/Armin Nolzen (Hrsg.), Ungleichheiten im „Dritten Reich“. Semantiken, Praktiken, Erfahrungen (Beiträge zur Geschichte des Nationalsozialismus 28), Göttingen 2012, S. 48–68.

14 Belinda J. Davis, Home Fires Burning: Food, Politics, and Everyday Life in World War I Berlin, Chapel Hill u. a. 2000. Vgl. in unserem Zusammenhang auch dies./Thomas Lindenberger/Michael Wildt (Hrsg.), Alltag, Erfahrung, Eigensinn. Historisch-anthropologische Erkundungen, Frankfurt a. M. u. a. 2008.

15 Sheila Fitzpatrick, Signals from Below: Soviet Letters of Denunciation of the 1930s, in: The Journal of Modern History 68 (1996), No. 4, S. 831–866.

16 Vgl. auch Tim Cole, Traces of the Holocaust: Journeying in and out of the Ghettos, London 2011.

17 Siehe S. 217 in diesem Band.

18 Amos Goldberg, The Victim’s Voice and Melodramatic Aesthetics in History, in: History and Theory 48 (2009), No. 3, S. 220–237.

19 Zur sprachlichen Problematik, ob man im Fall von Ghettos und Konzentrationslagern von Prostitution sprechen kann oder andere Konzepte und Begrifflichkeiten finden sollte, vgl. Anna Hájková, Sexual Barter in Times of Genocide: Negotiating the Sexual Economy of the Theresienstadt Ghetto, in: Signs: Journal of Women in Culture and Society 38 (Spring 2013), No. 3, S. 503–533.

20 Barbara Engelking/Jan Grabowski, Warszawie 1939–1942, Warszawa 2010. Folgende zwei Studien haben sich dieses Themas schon eher angenommen, sind aber methodologisch nicht alltagsgeschichtlich ausgerichtet und konzentrieren sich nicht nur auf die Opferperpektive: Christa Schikorra, Kontinuitäten der Ausgrenzung. „Asoziale“ Häftlinge im Frauen-Konzentrationslager Ravensbrück, Berlin 2001 und Robert Sommer, Das KZ-Bordell. Sexuelle Zwangsarbeit in nationalsozialistischen Konzentrationslagern, Paderborn 2009.

21 In der Edition „Die Verfolgung und Ermordung der europäischen Juden durch das nationalsozialistische Deutschland 1939–1945“ (VEJ), hrsg. im Auftrag des Bundesarchivs, des Instituts für Zeitgeschichte und des Lehrstuhls für Neuere und Neueste Geschichte an der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg und des Lehrstuhls für Geschichte Ostmitteleuropas an der Freien Universität Berlin von Susanne Heim, Ulrich Herbert u. a., München 2008 ff., wird versucht, ein derart breites ein derart breites Quellenspektrum zu präsentieren.

22 Raul Hilberg, The Development of Holocaust Research – A Personal Overview, in: David Bankier/Dan Michman (Hrsg.), Holocaust Historiography in Context: Emergence, Challenges, Polemics, and Achievements, Jerusalem/New York 2008, S. 25–36, Zitat S. 29.

23 Raul Hilberg/Stanislaw Staron/Joseph Kermish (Hrsg.), The Warsaw Diary of Adam Czerniakow: Prelude to Doom, New York 1979.

24 Raul Hilberg, Quellen des Holocaust. Entschlüsseln und Interpretieren, Frankfurt a. M. 2002, S. 151.

25 Hilberg, Development, S. 35.

26 Raul Hilberg, Unerbetene Erinnerung. Der Weg eines Holocaust-Forschers, Frankfurt a. M. 1994, S. 165. Vgl. auch ders., Täter, Opfer, Zuschauer. Die Vernichtung der Juden 1933–1945, Frankfurt a. M. 1996.

27 Emanuel Ringelblum, Kronika getta warszawskiego XS[FTJF¸ 1939 – TUZD[F¸ 1943, hrsg. von Artur Eisenbach und Adam Rutkowski, Warszawa 1983, S. 479. Zu Ringelblum vgl. Samuel D. Kassow, Ringelblums Vermächtnis. Das geheime Archiv des Warschauer Ghettos, Reinbek bei Hamburg 2010; Ruta Sakowska, Die zweite Etappe ist der Tod. NS-Ausrottungspolitik gegen die polnischen Juden, gesehen mit den Augen der Opfer, Berlin 1993. Ähnlich breit ist auch das Themenspektrum der Lodzer Ghettochronik, wenn auch die Darstellungsweise eine ganz andere ist; vgl. Sascha Feuchert/Erwin Leibfried/Jörg Riecke (Hrsg.), Die Chronik des Gettos Litzmannstadt/Lodz, 5 Bände, Göttingen 2007. Zu Wilna vgl. Herman Kruk, The Last Days of the Jerusalem of Lithuania: Chronicles from the Vilna Ghetto and the Camps, 1939–44, hrsg. von Benjamin Harshav, New Haven 2002.

28 Die Tagungsbeiträge sind veröffentlicht in Susanne Heim/Beate Meyer/Francis R. Nicosia (Hrsg.), „Wer bleibt, opfert seine Jahre, vielleicht sein Leben“. Deutsche Juden 1938–1941, Göttingen 2010.

29 Ein Protokoll des Workshops ist zu finden bei: H-Soz-u-Kult, 13. 04. 2011, <http://hsozkult.

geschichte.hu-berlin.de/tagungsberichte/id=3613>.

© Leseprobe: Oldenbourg Verlag

 

s. hier auch: Eva Roubíčková, Langsam gewöhnen wir uns ans Ghettoleben, Tagebuch und Gespräch


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