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Die Prüfung von Franz Kafka

 

Zur Bedeutung des Kurzprosatextes

von Iulia Luca


 

 

 



 

Die Erzählung Die Prüfung entstammt dem Band Nachgelassene Schriften und behandelt eine kurze, scheinbar zufällige Begebenheit zwischen dem Ich-Erzähler und einem im Text Gast genannten Unbekannten, der ihn zu sich an den Tisch bittet und mit dem er schließlich ins Gespräch kommt. Der Unbekannte scheint schon vorher die geistige Abwesenheit des Mannes (Diener wie er) bemerkt zu haben und versucht, ihn auf sich aufmerksam zu machen und für sich zu gewinnen. Der Dialog an sich ist intensiv und beinhaltet, wie viele Gespräche und Auseinandersetzungen bei Kafka, etwas scheinbar Surreales, Fremdes und Unglaubwürdiges. Die Beiden kommen scheinbar ins Plaudern, unterhalten sich über dies und jenes, bis der unbekannte Gast plötzlich das Gespräch mit dem Ausruf unterbricht: ,,Das war ja nur eine Prüfung. Wer die Fragen nicht beantwortet, hat die Prüfung bestanden!”1


 

Obwohl der Text das typisch Perplexe und 'Kafkaeske' verkörpert, kann man konstatieren, dass er sich lediglich einer alten Spruchweisheit bedient, hier etwa: ,,Reden ist Silber, Schweigen ist Gold“ und behaupten, der Text ende mit einer optimistischen Note (obwohl das Ende offen bleibt, wie immer in Kafkas Kurzprosa); wahrscheinlich sollte man hinzufügen, denn in vielen seiner Schriften, vor allem in seinen Romanfragmenten, wird man von optimistischen Enden nicht sprechen können. Diesbezüglich bleibt der Text also von Relevanz für die Literaturwissenschaft und für mich, weil er (noch) nicht ins Rumänische übersetzt worden ist.

 

 

Der Fremde meint, wenn er die Rechnung bezahlte, würde sein Gesprächspartner sich öffnen und sogar Freude zeigen. Seine Enttäuschung ist umso größer, da der Ich-Erzähler ganz offensichtlich keine Lust auf Geselligkeit und Spaß hat. Er ist mehr an seinen eigenen Befindlichkeiten interessiert als daran, seine Zeit mit ,,Smalltalk“ zu verbringen. Um diese These zu untermauern, ist es wichtig, den von mir ins Rumänische übersetzten Text, das Ende der Erzählung, zu präsentieren:


Einmal, als ich ins Wirtshaus kam, saß auf meinem Beobachtungsplatz schon ein Gast. Ich wagte nicht genau hinzusehen und wollte mich gleich in der Tür wieder umdrehen und wegdrehen. Aber der Gast rief mich zu sich, und es zeigte sich, dass er auch ein Diener war, den ich schon einmal irgendwo gesehen hatte, ohne aber bisher mit ihm gesprochen zu haben. „Warum willst du fortlaufen? Setz dich her und trink! Ich zahl’s.“ So setzte ich mich also. Er fragte mich einiges, aber ich konnte es nicht beantworten, ja ich verstand nicht einmal die Fragen. Ich sagte deshalb: „Vielleicht reut es dich jetzt, daß du mich eingeladen hast, dann gehe ich“, und ich wollte schon aufstehen. Aber er langte mit seiner Hand über den Tisch herüber und drückte mich nieder: „Bleib“, sagte er, „das war ja nur eine Prüfung. Wer die Fragen nicht beantwortet, hat die Prüfung bestanden.“


Când am intrat în crâşmă, se afla deja un client, pe locul din care eu urmăream lucrurile. Nu m-am încumetat să mă uit foarte exact şi am vrut imediat să mă întorc în uşă şi să plec. Dar oaspetele mă strigă la el, şi s-a putut conlcuziona, că şi el era un servitor, pe care l-am văzut pe undeva deja, fără să fi vorbit deja cu el. ,, De ce vrei să fugi? Aşează-te aici lângă mine şi bea! Eu plătesc”. Astfel m-am aşezat lângă el. M-a întrebat câte ceva, dar eu n-am putut răspunde, da nici măcar întrebările nu le-am înţeles. De asta am spus: ,,Poate acum îţi pare rău că m-ai invitat, atunci plec”, şi am vrut deja să mă ridic. Dar el şi-a întins mâna peste masă şi m-a împins jos: ,,Rămâi, zise el, aceasta a fost doar o testare. Cine nu răspunde la întrebări a trecut testul.


Es bleibt der jetzigen Generation von StudentInnen, LiteraturliebhaberInnen und SprachwissenschaftlerInnen vorbehalten zu entscheiden, ob diese kurze Erzählung Kafkas für sie Aktualität widerspiegelt bzw. noch aktuell ist. Kafkas Texte beinhalten meiner Meinung nach immer eine Mitteilung, eine moralische Frage, der man sich nicht entziehen kann, an der man nicht so einfach vorbeikommt und die sich nicht leicht beantworten lässt. Selbst wenn die Übersetzung seines Werkes – zumindest ins Rumänische – zu Ende gebracht sein wird, werden seine Texte nie an Aktualität verlieren, eine Frage, ein Geheimnis, etwas Rätselhaftes bleibt wahrscheinlich immer.

 

1 Kafka, Franz. Sämtliche Erzählungen. (Complete Oeuvre) Köln: Anaconda, 2007.



© Text: Iulia Luca; Fotos: priv.; Sabine Tusche; webfont-kafkaschrift

s.a.:  Iulia Luca - Kafka

 




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