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Milada Součková | Sešity Josefíny Rykrové | Praha 1993

 

Überfuhr* in Troja

 

Verse zu einem Bild in Zlatá Praha,

würde Josefine so schreiben?

In der Klasse hinter ihr sitzt Buñatová

aus dem pomologischen Garten in Troja

zur Schule über den Fluss, durch den Stromovka-Park,

da war keine Brücke, die Fähre befördert,

Maj, Zlatá Praha

vom Frühling bei Eisgang in Troja

Oft hörte ihn Vrchlický nachts,

die Buñatová kommt heute spät,

das sind nicht „stürmische“ Eisgänge der Poesie

(sie hörte oft Vrchlický)

nur die Eisschollen einer missratenen Jugend,

damals würde man einer „vergeudeten“ schreiben

Vergeudete Hoffnungen und Trauer

(Sova) sei es durch Übermut oder Krankheit,

das sind keine literarischen Briefe

die „Illustrationen“ aus Goldenes Prag.

Braunerová, Zeyer, Chittussi

malten den Hafen in Troja

Hier kamen vorüber Sabine, Macha

Feuerstein, Rykr

an den Ketten der Fähre

Charons Barke

würde Vrchlický schreiben.



Über der Kampa

 

Clementi? Scarlatti?

Perlen durchs Fenster, perlen

auf Gehsteige unten

zum Händler mit Holz und Kohlen

unterm Brückenbogen

perlen hoch in Kronen

bis zur Luitgardstatue,

spielen sie stets die Sonate?

fragt Engel Servatius.

Clementi, Scarlatti

perlen im Sommermorgen

Tropfen nur perlen

auf Akaziendornen

ohne Luitgards Mitgefühl

vom Ton die Scheiben klirren

ein Putto alt im Haufen

wird sich zum Fenster beugen

Clementi? Scarlatti?

Tonleitern zerperlen?

 


Crocus D.

 

Ursprünglich in SO-Europa

Safran, Farbe, Gewürz

in der alten Gartenecke

auf der Schutthalde der Jugend

violett, gelb, weiß

violettes Fasten-

gewand der Blutschande

in der antiken Tragödie

der Veilchen, der Frühlingserbse, des Salbei,

Krokusse, Lenzsafrane

duften als violetter Lehm

mit kleinen Věstonicer Bäuchen.

 

* Überfuhr ist ein typisch Prager deutsches, heute nicht mehr gebräuchliches, Wort für Fährschiff, Fähre, wie Durchhaus für Passage und Ringelspiel für Karussell (s. hierzu auch HG Adler, Die Prager Schule)

 

(Aus dem Tschechischen von Eduard Schreiber)

 

Milada Součková (* 24.01.1898 in Prag, † 01.02.1983 in Cambridge, Massachusetts) ist eine große, leider ziemlich vergessene tschechische Autorin des 20.Jahrhunderts
Bis 1990 war sie sogar aus allen tschechoslowakischen Lexika verbannt. Mittlerweile gibt es eine wunderbare 13-bändige tschechische Gesamtausgabe. 

Die Drei Gedichte schickte uns dankenswerterweise der Übersetzer vieler tschechischer Werke Eduard Schreiber, der Roman Bel Canto wird unter Empfehlungen vorgestellt.

 



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