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Yuri Dojc - Fotograf

Last Folio

  


 

Das Last Folio Projekt zeigt Fotos aus den letzten zehn Jahren. Der Fotograf Yuri Dojc, der 1946 im slowakischen Humenné geboren wurde, emigrierte 1968 nach Kanada. Seine Rückkehr in die Slowakei brachte ihn auf die Spuren des jüdischen Erbes seiner Eltern und Großeltern; ihr Schicksal und das der Menschen, denen er auf seinen Reisen durch die Slowakei begegnete, berührte ihn zutiefst: als Mensch und als Fotograf.



 

Last Folio zeigt Portraits von Überlebenden der Shoah, Bilder von überwucherten Friedhöfen, heruntergekommenen Gebäuden und Synagogen. Es sind vor allem die Bilder der alten, irgendwo vergessenen, schwer beschädigten Bücher, die für ihn Symbole sind für den großen kulturellen Verlust, aber auch für die Schönheit dessen, was bleibt. Die Ausstellung war schon in den USA (Washington, New York, Indiana), Großbritannien sowie in Brüssel zu sehen, nach Košice wird sie in Moskau zu sehen sein.

Organisatoren: Košice – ECOC 2013, Kehila Košice, Last Folio /Portobello Media/ Studio Yuri Dojc, Katya Krausova. Öffnungszeiten: So – Do 10.00 – 20.00 Uhr, Fr 10.00 – 18.00, Sa geschlossen.

Alte Synagoge, Zvonárska 7, Košice 




Bis 1944, als die deutsche Wehrmacht und die SS die Stadt besetzten, lebten rund 15.000 Juden (etwa 20% der Bevölkerung) in Košice, das damals eine der größten Jüdischen Gemeinden in Europa war (u.a. zeugten fünf Synagogen davon). Zuvor schon entrechtet, wurden sie in der Sammelstelle – einer alten Ziegelei – zusammengetrieben, um dann vom Kaschauer Bahnhof aus in Zügen nach Auschwitz transportiert zu werden. Nach Eichmanns Transportabkommen von Kassa* als „zentraler Umschlagplatz“ benutzt, wurden insgesamt etwa 360.000 ungarische und slowakische Juden in das Vernichtungslager deportiert. (*Kaschau war der deutsche, Kassa ist der ungarische Name der Stadt).


Die Idee für das Projekt Last Folio hatte Yuri Dojc, als er die alte Synagoge in Košice zum ersten Mal sah – und als die Stadt 2013 Europäische Kulturhauptstadt wurde, konnte es endlich realisiert werden. „Unsere Erwartungen waren nicht groß, aber wenn man die Ausstellung jetzt sieht, dann ist sie doch sehr beeindruckend. Es gibt kaum einen besseren Platz, weil die Atmosphäre in Košice wirklich einzigartig und fantastisch ist. Es ist so, als seien die Bilder nach Hause zurückgekehrt. Es ist ja tatsächlich ihr Zuhause. Der Platz ist wirklich perfekt.“


 

Yuri Dojc hofft, dass vor allem die Einwohner die Ausstellung annehmen, denn diese Zeit und was sie für die ehemaligen Mitbürger bedeutete, scheint aus dem öffentlichen Bewusstsein vollkommen verschwunden zu sein. Die Ausstellung solle zum Nachdenken anregen, wie Kultur und Erinnerung miteinander verzahnt sind. Alte Menschen, die die Zeit noch erlebt haben, empfinden naturgemäß anders als Kinder, die jedoch etwas über ihr Land und das Leben ihrer Familien lernen, es in ihrem Gedächtnis verankern könnten.

 

Die gezeigten Bücher wurden in der früheren Jüdischen Schule in Bardejov gefunden. Die meisten Porträts machte Dojc von Überlebenden, die er auf seinen Reisen traf und die ihm ihre Geschichte erzählten. „Und während eines solchen Besuchs nahm man uns mit und zeigte uns diese Bücher. Das änderte die gesamte Richtung des Projekts. Ich begriff, dass meine Fotos der Bücher auch Portraits waren, Portraits von Menschen, die wir nicht mehr finden konnten. Das war die augenblickliche Wirkung, die die Bücher auf mich hatten. Ich beschloss, jedes Buch wie einen Menschen zu porträtieren und ihm so viel Charakter wie möglich zu verleihen, das Buch also nicht als einen toten Gegenstand zu fotografieren, sondern als ein lebendiges Objekt, eine lebende Person.

Auch ein anderer, heute wichtiger Aspekt wird in dieser Ausstellung berührt: sie ehrt nicht nur eine ganze Generation von Menschen, die verschwand, sondern bezieht sich auch auf Bücher, die gerade verschwinden, weil andere Medien ihre Funktion übernehmen.“

Einige der fotografierten Bücher gibt es noch, manche haben sich vermutlich bereits in Staub aufgelöst, weil sie in einem Zustand jenseits möglicher Wiederherstellbarkeit waren.

Das Projekt selbst ist dann ganz abgeschlossen, wenn Dojc keine neuen Aspekte in der Arbeit daran mehr entdeckt. Es ist endlich, weil es Zeitzeugen bald nicht mehr gibt und Portraits deshalb nicht mehr möglich sein werden. „Aber die Synagogen stehen noch, manche davon in erbärmlichem Zustand, sodass man sie fotografieren sollte, bevor sie ganz verfallen sind.“

Beim Betrachten seiner Bilder fragt sich Dojc immer wieder: „Bist du zufrieden ? Hast du genug gemacht?“

(Zitate aus: Slovak Spectator, 19.06.2013, Übersetzung: Katja Schickel, Foto: Petit Press)


 

Informationen und Fotos: www.yuridojc.com



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